Immer wieder sorgen neue Trends bei TikTok und anderen Social Media-Kanälen für Wirbel. Dazu gehört auch die Verabreichung von Melatonin als Einschlafhilfe für Kinder. Doch ist das eine gute Wahl?
Ein Hühnchen in Hustensaft kochen oder Melanotan-Nasensprays zum Bräunen: In den sozialen Medien kursieren verschiedene Trends, die Nutzer:innen zum Nachahmen animieren. Dazu gehören auch zahlreiche Videos, in denen Kindern Melatonin verabreicht wird. So ist unter anderem ein Vater zu sehen, der seinen Kindern Melatonin-Tropfen in die Trinkpäckchen mischt. Andere Eltern greifen auf Gummibärchen mit Melatonin zurück. Der Grund: Ihre Kinder schlafen schlecht ein. Doch der Trend birgt Gefahren, warnen Expert:innen.
„Ein unkritischer Einsatz von Medikamenten im Kindesalter kann nicht nur Nebenwirkungen verursachen, sondern auch den Beginn einer sinnvolleren Therapie verzögern“, heißt es beispielsweise von der Arbeitsgruppe Pädiatrie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Die Expert:innen nennen dabei das Beispiel Melatonin, das in einigen Fällen zu Kopfschmerzen oder Migräneattacken geführt habe.
Das Schlafhormon Melatonin wird in der Zirbeldrüse hergestellt und bei Dunkelheit im Epithalamus ausgeschüttet. Das Hormon wird im Körper aus Serotonin produziert und steuert den Tag-Nacht-Rhythmus. Die Konzentration ist in der Mitte der Nacht am größten und nimmt bis in den Morgen und im Alter ab.
Statt Melatonin auf natürliche Maßnahmen setzen
Schätzungsweise 20 Prozent der Kinder leiden unter Schlafproblemen beziehungsweise -störungen. Statt einer Verabreichung von Melatonin für Kinder sollten zunächst grundsätzlich die Ursachen dafür geklärt und natürliche Methoden zur Schlafförderung angewendet werden. Dazu zählen unter anderem das Entwickeln von Schlafritualen, so die Expert:innen weiter.
Hinzu kommt, dass vor allem „Schlafstörungen, die primär durch inadäquate Einschlafassoziation oder Grenzsetzung ausgelöst werden,“ nicht mit Melatonin therapiert werden sollten. Auch hier steht die Schaffung einer günstigen Schlafhygiene – beispielsweise ab dem frühen Abend keine Bildschirmzeit mehr – im Fokus.
Dagegen konnte in verschiedenen Studien gezeigt werden, dass Melatonin bei Kindern mit chronischer Einschlafstörung durch ein verzögertes Schlafphasensyndrom und bei Kindern mit neuropsychiatrischen Erkrankungen wie ADHS und Schlafproblemen zu einer verkürzten Einschlaflatenz und meist zu einer längeren Gesamtschlafdauer führen kann. Hierbei seien jedoch die Dosierung und der Einnahmezeitpunkt entscheidend.
Melatonin für Kinder nicht um jeden Preis
Als verschreibungspflichtiges Präparat ist seit 2019 Slenyto mit retardiertem Melatonin für Kinder über zwei Jahren mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) und/oder Smith-Magenis-Syndrom (SMS), wenn Schlafhygienemaßnahmen unzureichend waren, auf dem Markt. Für die Anwendung von Melatonin bei gesunden Kindern gibt es laut Stiftung Warentest jedoch bisher keine belastbaren Daten. Eine Einnahme werde daher nicht empfohlen, so die Expert:innen.
Übrigens: Auch Erwachsenen rät Warentest davon ab, Melatonin auf eigene Faust einzunehmen.
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