Mit Trillerpfeifen und Transparenten haben Hunderte Ärzt:innen und Apotheker:innen vor dem Landtag in Erfurt auf Probleme bei der ambulanten medizinischen Versorgung in Thüringen aufmerksam gemacht.
Allein bei den Hausärzt:innen seien derzeit 68 Praxen nicht besetzt, damit bekämen Tausende Patient:innen keine angemessene Versorgung, erklärten Redner. Bei den Zahnärzt:innen würden zu Jahresbeginn 26 Praxen schließen, weil keine Nachfolge gefunden worden seien, hieß es.
Zu der Protestaktion hatten die Berufsverbände von Praxisärzt:innen, Zahnärzt:innen und Apotheker:innen in Thüringen aufgerufen. Die Ärzt:innen forderten unter anderem einen angemessenen Inflationsausgleich angesichts der stark gestiegenen Energiepreise, aber auch mehr Wertschätzung ihrer Arbeit. Die fehlende Wertschätzung für Ärzt:innen und das medizinische Personal durch die Politik führe dazu, dass die Krankenkassen immer neue Sparrunden starteten, sagte ein Zahnarzt.
„Verlangt wird immer mehr Leistung für das Geld von gestern. Deshalb ist es kein Wunder, wenn immer mehr aussteigen.“ Aus Sicht der Praxisärzt:innen konzentriert sich die Krisenhilfe der Politik zu sehr auf Krankenhäuser und Pflegeheime, Praxen kämen dabei zu kurz.
Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) verteidigte sowohl vor den Protestierenden als auch in einer anschließenden Landtagsdebatte die Politik der Landesregierung. Sie wisse sehr wohl, dass nicht alleine die Kliniken die Last der Pandemiebewältigung getragen hätten. „Im Fokus des Orkans der Pandemie standen Sie.“ Werner sagte, sie kämpfe seit langem darum, die Zahl der Medizinstudienplätze im Freistaat zu erhöhen. Auch auf Bundesebene setze sich das Land für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Ärzt:innen und Apotheker:innen ein. So habe das Land unter anderem dagegen gestimmt, die Neupatientenvergütung abzuschaffen. Dafür habe es aber keine Mehrheit gegeben. Ihre Rede bei der Demonstration wurde durch „Buh“- oder „Aufhören!“-Rufe sowie Pfeifkonzerte unterbrochen.
Während der Landtagsdebatte nannte auch die CDU-Fraktion als einen Grund für die sinkende Zahl von Arztpraxen in Thüringen, dass es zu wenig Wertschätzung gegenüber dem medizinischen Personal gebe. Ein Ausweis dafür sei, dass für die Pflegekräfte in den Arztpraxen anders als für das Pflegepersonal in den Kliniken keine Corona-Prämien vorgesehen gewesen seien. Dafür gelte die Impfpflicht im Gesundheitswesen für die Pflegekräfte in den Praxen ebenso wie für die Pflegekräfte in den Kliniken.
Die Grüne-Fraktionsvorsitzende Astrid Rothe-Beinlich sagte, die Impfpflicht im Gesundheitswesen habe nichts damit zu tun, dass die Zahl der Arztpraxen vor allem im ländlichen Raum sinke. Es gebe strukturelle Gründe, die dazu führten, dass sich immer weniger Nachwuchs-Mediziner:innen für eine eigene Praxis entschieden. „Das heißt, es geht darum, dass sich das System grundsätzlich ändern muss.“ Unter anderem hätten junge Menschen heute Vorstellungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die sich oft nicht mit dem Betrieb einer eigenen Praxis in Einklang bringen ließen.
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