Wenn Patient:innen Medikamente verschrieben bekommen, rattern in Praxen meist noch Drucker. Digitale Rezepte sollen jetzt nach langem Gezerre an den Start gehen. Kommen da bald auch noch mehr technische Modelle?
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dringt auf Tempo bei einer breiten Einführung elektronischer Rezepte und will dafür auch noch einfachere Wege eröffnen. „Wir müssen das jetzt schnell ausrollen“, sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin. Er sprach sich dafür aus, dass digitale Rezept-Codes außer über eine spezielle App für Smartphones oder als Papierausdruck auch per Mail oder normale SMS übermittelt werden können. Dazu sei man unter anderem zu Datenschutzfragen im Gespräch, um eine Lösung zu finden. Die Kassenärzt:innen forderten Klärungen für praktische Probleme.
Nach einer Testphase soll an diesem Donnerstag ein schrittweiser Start des E-Rezepts anlaufen – zunächst bei Praxen und Kliniken in der Region Westfalen-Lippe und bei Zahnärzt:innen in Schleswig-Holstein. Zudem sollen Apotheken bundesweit E-Rezepte annehmen, rund 10.000 der 18.000 Apotheken meldeten sich nach Verbandsangaben startklar. Für andere Praxen in Schleswig-Holstein hatte die dortige Kassenärztliche Vereinigung einen Rückzug erklärt, nachdem die Übermittlung per Mail und SMS datenschutzrechtlich untersagt worden sei. Ursprünglich war ein bundesweiter Start der E-Rezepte schon zu Jahresbeginn geplant.
Dabei bekommen Patient:innen statt des gewohnten rosa Zettels einen Code aufs Smartphone, um Medikamente in Apotheken abzuholen. Wer kein Smartphone hat oder nicht die spezielle App, bekommt den Code vorerst ausgedruckt auf Papier. Ab 2023 sollen E-Rezepte außerdem mit der elektronischen Gesundheitskarte eingelöst werden können. Lauterbach machte deutlich, dass er dies auch für die ganz normale elektronische Gesundheitskarte anstrebt, die alle Versicherten haben – und nicht erst für eine modernere Version der Karte mit spezieller Technologie.
Mit Blick auf einen Starttermin für einen flächendeckenden Einsatz von E-Rezepten verwies der Minister auf die nun noch neu vorgesehenen einfacheren Lösungen. „Wenn das alles klappt, denke ich, sind wir im nächsten Jahr da wirklich gut unterwegs.“ Lauterbach informierte sich in einer Berliner Arztpraxis über den Einsatz von E-Rezepten.
Der Chef der mehrheitlich bundeseigenen Gematik-Gesellschaft für Digitalprojekte, Markus Leyck Dieken, erläuterte, dass in den beiden Modellregionen nun strukturiert Beobachtungen zur Einführung gemacht werden sollen. Es sei aber schon jetzt jeder Behandler in Deutschland mit entsprechender Software eingeladen, Erfahrungen zu sammeln. Bald würden E-Rezepte, die in 18 europäischen Ländern längst etabliert seien, dann auch ganz normal als täglicher Service empfunden.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mahnte Lösungen für Probleme an. „Von einem reibungslosen Funktionieren sind wir noch meilenweit entfernt“, sagte Vorstandschef Andreas Gassen. Größter Kritikpunkt ist laut KBV, dass die Ausstellung samt elektronischer Signatur zu lange dauere. Da das E-Rezept aktuell in der Regel ausgedruckt werden müsse, hinterfragten viele Ärztinnen und Ärzte den Sinn einer Digitalisierung, die mehr Papier produziere als vorher.
Der Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, sagte der „Rheinischen Post“ (Freitag): „Es ist beim besten Willen nicht nachvollziehbar, warum etwas, das in anderen europäischen Ländern seit Jahren problemlos und datenschutzkonform funktioniert, in Deutschland anscheinend ein Ding der Unmöglichkeit ist.“
Das E-Rezept soll ein Baustein für eine schon seit Jahren angestrebte stärkere Digitalisierung des Gesundheitswesens sein. Nach langem Gezerre soll auch für elektronische Patientenakten mehr Schub her. Sie wurden 2021 als freiwilliges Angebot für die 73 Millionen gesetzlich Versicherten gestartet und sollen mehr und mehr Funktionen bekommen. Die Koalition strebt an, dass für die Nutzung das Prinzip „Opt out“ kommen soll – also, dass man aktiv widersprechen muss und nicht aktiv einwilligen.
Die Barmer Krankenkasse warb auch für mehr Videosprechstunden und kritisierte geltende Beschränkungen. „Videosprechstunden haben sich gerade in der Corona-Pandemie bewährt“, sagte Vorstandschef Christoph Straub der Deutschen Presse-Agentur. Sie seien ein Baustein gewesen, dass die Versorgung stabil geblieben sei, könnten flexibler in Terminkalender integriert werden und sparten Patient:innen und Ärzt:innen vor allem auf dem Land weite Wege. Dass Videotermine nach einem unbegrenzt möglichen Angebot in der Pandemie seit April auf 30 Prozent der Praxiskapazität beschränkt seien, baue Schranken auf.
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