Ist ein Rabattarzneimittel nicht lieferbar und kann nur oberhalb des Festbetrages versorgt werden, übernehmen die Kassen die anfallenden Mehrkosten. Liegt hingegen kein Rabattvertrag vor, müssen die Versicherten die Festbetragsaufzahlung aus eigener Tasche zahlen. Ein Systemversagen – findet das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS). Schließlich erfolgt die Versorgung über dem Festbetrag aufgrund von Lieferausfällen und nicht auf Wunsch der Versicherten. Zudem gelte das Sachleistungsprinzip.
Mehrkosten werden fällig, wenn der Verkaufspreis eines Arzneimittels den Festbetrag übersteigt. In der Regel zahlen die Versicherten die Differenz aus eigener Tasche – auch wenn eine Zuzahlungsbefreiung vorliegt. In Ausnahmefällen springen die Kassen ein. Um einen Ausnahmefall handelt es sich beispielsweise, wenn ein Rabattarzneimittel nicht lieferbar ist. Grundlage ist hier das Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG). Die Vorgaben des GKV-FKG wurden in § 11 Absatz 3 Rahmenvertrag umgesetzt. „Ist bei einer Abgabe nach Absatz 2 kein Arzneimittel zum Festbetrag verfügbar, trägt die Krankenkasse […] die Mehrkosten.“
„Geregelt wird hierfür explizit auch die Nichtgeltung von Festbeträgen, wenn die Versorgung nur mit einem Arzneimittel oberhalb des Festbetrages möglich ist. Hierfür gilt ausdrücklich das Sachleistungsprinzip“, so das BAS in einer Rundmail.
Im Umkehrschluss bedeutet das: Liegt kein Rabattvertrag vor, müssen Versicherte im Falle eines Lieferengpasses die anfallenden Mehrkosten selbst zahlen. Und zwar auch dann, wenn kein mehrkostenfreies Arzneimittel geliefert werden kann. Das BAS spricht von Systemversagen und einer Verletzung des Sachleistungsanspruchs.
„Nach uns vorliegenden Hinweisen aus der Praxis berufen sich dann die Krankenkassen zum Teil auf das Wirtschaftlichkeitsgebot und sehen ihre Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten mit dem Festbetrag als erfüllt an“, so das BAS, das an an dieser Stelle eine Verletzung des Sachleistungsanspruchs der Versicherten nach § 2 SGB V sieht. „Die Abgabe des Arzneimittels über dem Festbetrag erfolgt hier nicht etwa auf Wunsch des Versicherten, sondern nur wegen der Lieferschwierigkeiten. Diese liegen nicht im Verantwortungsbereich des Versicherten.“ Denn anders als bei einem Wunscharzneimittel verlasse der/die Versicherte das Vertragsleistungssystem der Kasse im Falle der Nichtverfügbarkeit und einer daraus resultierenden Versorgung über dem Festbetrag nicht.
Mehr noch: Eine Einschränkung des Sachleistungsprinzips mit der Folge eines direkten Schuldverhältnisses zwischen Versicherten und Apotheken in Höhe der Mehrkosten sei gesetzlich nicht geregelt.
Das BAS hält in diesem Zusammenhang ausdrücklich fest, dass für die Versicherten die Möglichkeit besteht, sich nachträglich im Wege der Kostenerstattung an ihre Krankenkasse zu wenden und so die entstandenen Mehrkosten zurückzufordern. „Da kein Fall der Versorgung mit einem vom Versicherten begehrten ‚Wunscharzneimittel‘ vorliegt, hat der Versicherte entstehende Mehrkosten nicht zu tragen“, so das BAS.
Zudem entheben die Festbetragsregelungen die Kassen nicht von ihrer Pflicht, im Rahmen der Sachleistungsverantwortung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V für die ausreichende Versorgung der Versicherten Sorge zu tragen. Wenn also für eine/n Versicherte:n in der Apotheke, unter Berücksichtigung der Regelungen des Rahmenvertrages, eine ausreichende Versorgung zum Festbetrag nicht möglich ist, weil aufgrund von Lieferengpässen nur mit einem Arzneimittel über dem Festbetrag versorgt werden kann, muss nach Auffassung des BAS auf dieses andere Arzneimittel zurückgegriffen werden. Die Leistungsbeschränkung auf den Festbetrag greife dann nicht.
„Sofern der Versicherte in der Apotheke bei der vorgenannten Fallkonstellation mit Mehrkosten belastet wird, handelt es sich um ein Systemversagen.“
Es sei deshalb erforderlich, entsprechende Vereinbarungen zu treffen, um ein derartiges Systemversagen zu verhindern. „Wir halten eine Regelung im Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V für sinnvoll, die in derartigen Fällen Mehrkosten zu Lasten des Versicherten ausschließt.“
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