Apothekenmitarbeiter:innen dürfen beim Verdacht auf einen gefälschten Impfpass die Schweigepflicht verletzten und die Polizei rufen – so lautet ein aktuelles Urteil. Schließlich liege ein „rechtfertigender Notstand“ vor.
Am Amtsgericht Landstuhl wurde ein Mann wegen Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Mann hatte in einer Apotheke einen gefälschten Impfpass vorgelegt, um sich die vermeintlichen Corona-Impfungen digitalisieren zu lassen. Doch dazu kam es nicht. Die Apotheke erkannte die eingetragenen Impfungen als Fälschung und verständigte die Polizei.
Hat die Apotheke die Schweigepflicht verletzt? Denn laut § 203 Strafgesetzbuch (StGB) machen sich Apotheker:innen strafbar, wenn sie „unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis“ offenbaren, das ihnen aufgrund ihres Berufes anvertraut wurde – und dazu gehören Rezepte und Impfpässe. Das Vergehen kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe geahndet werden.
Das Urteil des Amtsgerichtes Landstuhl kommt zu einem anderen Ergebnis. Die Apothekenmitarbeiter:innen waren zur Einschaltung der Polizei und zur Offenbarung ihrer Erkenntnisse jedenfalls berechtigt, heißt es im Urteil. Die tatbestandliche Verwirklichung von § 203 StGB sei gerechtfertigt. „Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass gefälschte Impfpässe in Apotheken vorgelegt werden, um mit dem Erhalt des Covid-Zertifikats am öffentlichen Leben teilzunehmen.“ Die getroffenen Schutzmaßnahmen knüpfen schließlich an den Impfstatus. Somit stelle die Umgehung des zur Teilnahme am öffentlichen Leben in vielen Bereichen erforderlichen Impfnachweises eine Dauergefahr für Leib und Leben sowie für das Schutzgut der Funktionsfähigkeit der Gesundheitsfürsorge dar, so das Gericht.
Hätte die Apotheke die Ausstellung des Impfnachweises verweigert und den Mann samt Papieren gehen lassen, wäre laut Gericht naheliegend davon auszugehen, dass der Angeklagte einen erneuten Versuch in einer anderen Apotheke unternommen hätte, in der die Fälschung möglicherweise nicht aufgefallen wäre, sodass in der Folge eine Realisierung der Gefahr konkret zu besorgen war. „Da die entsprechenden Gefahren jederzeit in einen Erfolg umschlagen können, wenn nicht konsequent gegen den Gebrauch des gefälschten Impfausweises eingeschritten wird, sind Apothekenmitarbeiter in solchen Fällen regelmäßig aus § 34 StGB zur Offenbarung der Tatsache, dass der Verdacht einer Urkundenfälschung besteht, berechtigt.“
In § 34 StGB „Rechtfertigender Notstand“ heißt es: „Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.“
Das Fazit: „Verletzungen der Schweigepflicht sind regelmäßig aus § 34 StGB gerechtfertigt, wenn Mitarbeiter einer Apotheke Anhaltspunkte für eine Impfpassfälschung erkennen und ihre Erkenntnisse an Ermittlungsbehörden weitergeben“.
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