Die Nachfrage nach Corona-Schnelltests ist groß und Apotheken haben mitunter Mühe, die Nachfrage zu bedienen. Um Versorgungsengpässe bei medizinischen Tests zu vermeiden, hat das Europäische Parlament verlängerte Übergangsfristen für bestimmte In-vitro-Diagnostika beschlossen. Wir erklären dir, was es damit auf sich hat.
Bevor wir ins Thema einsteigen, kommen einige Hintergrundinfos für dich: Zu den In-vitro-Tests, bei denen anhand biologischer Proben der Gesundheitszustand einer Person bestimmt wird, gehören unter anderem Schwangerschaftsselbsttests, HIV-Tests und auch Corona-Tests. Im Mai 2017 ist die Verordnung über In-Vitro-Diagnostika (IVD) in Kraft getreten und wird am 26. Mai 2022 verpflichtend. Die neue Verordnung wurde zusammen mit der Verordnung über Medizinprodukte angenommen, die seit dem 26. Mai 2021 Gültigkeit hat. Was wird durch die neue IVD-Verordnung besser? Hier kommen einige neue Vorschriften:
- Hersteller, Importeure, Händler müssen unter anderem die Rückverfolgbarkeit der Produkte und die Registrierung von Produkten sicherstellen. Außerdem müssen Hersteller und Importeure die korrekte Kennzeichnung überprüfen.
- Für IVD wurde ein risikobasiertes Klassifizierungssystems mit vier Risikoklassen eingeführt:
- Klasse A (geringes individuelles Risiko und geringes Risiko für die öffentliche Gesundheit),
- Klasse B (mittleres individuelles Risiko und/oder geringes Risiko für die öffentliche Gesundheit),
- Klasse C (hohes individuelles Risiko und/oder mittleres Risiko für die öffentliche Gesundheit) und
- Klasse D (hohes individuelles Risiko und hohes Risiko für die öffentliche Gesundheit).
- schärfere Kontrollen für In-vitro-Diagnostika mit hohem Risiko
- strengere Kriterien für die Benennung und Beaufsichtigung Benannter Stellen (dies sind unabhängige externe Konformitätsbewertungsstellen)
- mehr Transparenz
- intensivere Überwachung der Hersteller nach dem Inverkehrbringen ihrer Produkte.
Das Problem
Die IVD-Verordnung kann zum 26. Mai 2022 nicht vollständig eingehalten werden. Denn: Bisher wurden nur sechs Stellen benannt. Ein Problem, denn den Herstellern ist es aufgrund der geringen Kapazitäten kaum möglich, die gesetzlich vorgeschriebenen Konformitätsbewertungsverfahren rechtzeitig durchzuführen. „Ohne längere Übergangsfristen könnte es zu erheblichen Lieferengpässen bei zahlreichen In-vitro-Diagnostika auf dem Markt sowohl für Gesundheitseinrichtungen als auch für die Öffentlichkeit kommen“, so das EU-Parlament. Und das betrifft auch Corona-Tests.
Denn Corona-Tests für den professionellen Gebrauch – Tests für die professionelle Anwendung im Labor und Near patient tests, die üblicherweise in den Testzentren verwendet werden, fallen künftig unter die Klasse D. Das Problem: „Für die Near Patient Tests und die für den professionellen Gebrauch gibt es derzeit noch kein Zertifikat einer Benannten Stelle, da diese derzeit unter ‚andere‘ Tests fallen“, erklärt Dr. med. Peter Liese, CDU-Europaabgeordneter und gesundheitspolitischer Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten). Weil die Tests zukünftig in die höchste Risikoklasse D fallen, gelte die Graceperiode („Übergangszeit“) bis Ende Mai 2025, so Liese. „Bis dahin können diese weiter produziert und in die Warenkette abgegeben werden. Händler dürfen diese noch ein Jahr länger an den Endkunden abverkaufen (Mai 2026).“
Die Lösung: Die Übergangsfrist
„Mit der neuen Verordnung wird die Einbeziehung dieser benannten Stellen von rund 8 Prozent auf etwa 80 Prozent steigen. Durch die Schwierigkeiten während der Corona-Krise und die Tatsache, dass sich Experten auf die Entwicklung der Corona-Tests konzentrieren mussten, gab es Verzögerungen bei der Umsetzung. Deshalb sind bisher erst wenige benannte Stellen eingerichtet und es drohten ohne heute beschlossenen Änderungen an der Verordnung ab Mai 2022 erhebliche Versorgungsprobleme, da Unternehmen Schwierigkeiten haben, ihre teils lebenswichtigen diagnostischen Produkte auf dem Markt zu halten, beziehungsweise auf den Markt zu bringen, weil benannte Stellen fehlen oder nicht einsatzbereit sind und die Hersteller dadurch nicht in der Lage sind, die gesetzlich vorgeschriebenen Konformitätsbewertungsverfahren rechtzeitig durchzuführen“, so Liese.
Eine generelle einheitliche Regel für Corona-Tests gibt es allerdings nicht. Denn es gibt Tests für die professionelle Anwendung im Labor, Near patient tests, die üblicherweise in den Testzentren verwendet werden und Selbsttests für Laien. Wie beschrieben, gibt es für die Near patient tests und die Tests für den professionelle Gebrauch derzeit noch kein Zertifikat einer Benannten Stelle, aber es gilt die Übergangsfrist bis 2025. Für Laientests, die schon ein Zertifikat einer Benannten Stelle haben, gelten die gleichen Fristen.
Das bedeutet: Damit die Übergangsfrist für einen Corona-Test greift, muss eine Konformitätserklärung vom Hersteller nach den Vorgaben der IVD-Richtlinie vorliegen. Dies ist nicht zu verwechseln mit einem Zertifikat einer Benannten Stelle.
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