Bei den Corona-Neuinfektionen zeigt die Kurve aktuell wieder steil nach oben. Eine Impfung gilt dabei als wirksamstes Mittel, um sich vor Krankenhaus und Co. zu schützen. Doch wie kommt es überhaupt zu schweren Corona-Verläufen und welche Rolle spielt dabei das Immunsystem?
Zugegeben, einen 100-prozentigen Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion gibt es bisher nicht. Die Immunisierung mit einem der vier in der EU zugelassenen Impfstoffe soll Impflinge allerdings zuverlässig vor schweren Corona-Verläufen bewahren. Aber warum erkranken eigentlich manche Menschen besonders ernst an Covid-19 während andere nur leichte Symptome verspüren? Forscher:innen der Berliner Charité und des Leibniz-Instituts Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin wollen nun die Antwort gefunden haben. Demnach soll ein spezieller Botenstoff beziehungsweise dessen verfrühte Ausschüttung für schwere Corona-Verläufe verantwortlich sein.
Auf das richtige Timing kommt es an: Wie die Wissenschaftler:innen in ihrer gemeinsamen Studie herausstellen, wird bei einer Infektion mit dem Coronavirus offenbar der Botenstoff TGFβ nicht wie sonst üblich zum Ende einer Infektion, sondern bereits zu Beginn, innerhalb der ersten Woche, vermehrt produziert und ausgeschüttet. Das Problem dabei: TGFβ soll dem Körper eigentlich helfen, das Immunsystem nach einer überstandenen Erkrankung wieder herunterzufahren. Durch das verfrühte Freisetzen wird folglich die Immunreaktion durcheinandergebracht. Der Körper, genauer das angeborene Immunsystem, bekämpft die Viren schon zu Beginn überhaupt nicht richtig, sodass diese leichtes Spiel haben und sich ausbreiten können.
Dies belegen Daten aus Blutuntersuchungen bei Patient:innen mit unterschiedlich schweren Corona-Verläufen. Während bei Betroffenen mit leichten Symptomen die natürlichen körpereigenen Immunzellen die Viruslast effektiv senken, waren diese bei schwer Erkrankten deutlich weniger wirksam, weil sie durch TGFß gehemmt wurden, erklären die Expert:innen. Das liegt ihnen zufolge daran, dass das Immunsystem bei einigen Infizierten so stark auf SARS-CoV-2 reagiert, dass der Körper von selbst gegensteuert und versucht, die Immunabwehr mithilfe von TGFß vorzeitig herunterzufahren, lange bevor die eigentliche Infektion bekämpft ist. Die Folge sind oftmals schwerwiegende Krankheitssymptome.
„Neben anderen Faktoren entscheidet also das Timing der TGFβ-Ausschüttung darüber, wie COVID-19 verläuft“, schlussfolgert Professor Dr. Andreas Diefenbach, Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie der Charité. Und genau darin sehen die Forscher:innen einen möglichen Behandlungsansatz, um schwere Corona-Verläufe zu verhindern. Demnach müsste der Botenstoff frühzeitig gehemmt werden, damit die Immunreaktion normal weiterlaufen kann. Welche Wirkstoffe dafür infrage kämen und ob es einen anderen Weg gibt, das Timingproblem zu lösen, müsse nun geprüft werden, so die Autor:innen.
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