Grippeimpfstoffe 2020/21: „So viele Impfdosen wie nie zuvor landen im Müll“
26 Millionen Grippeimpfstoffe standen in der Influenzasaison 2020/21 zur Verfügung und doch gab es zwischenzeitlich regionale Engpässe. Wer hätte im Herbst gedacht, dass am Ende die Kühlschränke der Apotheken voll sind und totes Kapital in Höhe von etwa neun Millionen Euro auf Impfwillige wartet? aposcope liefert spannende Informationen zu Lagerbeständen und Verlusten bei Grippeimpfstoffen 2020/21. Eines vorweg: Die nationale Reserve kam zu spät.
67 Prozent der von aposcope befragten Apotheker*innen und PTA geben an, dass in den Kühlschränken der Apotheke, in der sie arbeiten, Grippeimpfstoffe auf Abnehmer*innen warten. Die Umfrage unter den Kolleg*innen zeigt auch, dass es vor allem in Apotheken in Fußgängerzonen (85 Prozent) noch Lagerbestände gibt. Die Hoffnung, dass die Praxen die Packungen noch abrufen, schwindet. Denn 80 Prozent der Umfrageteilnehmer*innen geben an, dass nicht einmal mehr alle zwei Wochen Bestellungen von Praxen und Nachfragen von Privatversicherten eingehen. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass knapp die Hälfte (47 Prozent) weiß, dass die Praxen ebenfalls noch Grippeimpfstoffe 2020/21 vorrätig haben.
Welche Grippeimpfstoffe 2020/21 und wie viele sind noch vorrätig?
Die Kolleg*innen haben für aposcope die Kühlschränke geöffnet und durchgezählt – 87 Prozent der Befragten haben noch Einzelpackungen im Kühlschrank, bei drei von zehn befragten Apotheker*innen und PTA handelt es sich um Vaxigrip Tetra (Sanofi) in französischer Aufmachung. Vier von zehn Befragten haben Influenzaimpfstoffe 2020/21 in Zehnerpackungen und neun Prozent Packungen zu 20 Stück als Restbestand.
In den Kühlschränken lagert vor allem Vaxigrip Tetra (bei 39 Prozent der Befragten), gefolgt von Influvac Tetra (36 Prozent), Vaxigrip Tetra aus der nationalen Reserve (30 Prozent) und Influsplit Tetra (24 Prozent).
Wann wurde der Grippeimpfstoff 2020/21 bestellt?
Die Lagerbestände können der nationalen Reserve, die vom Bundesgesundheitsministerium beschafft wurde, zugesprochen werden. Denn 44 Prozent der Befragten geben an, die Impfdosen zwischen dem regulären Bestellzeitraum und vor Verfügbarkeit der nationalen Reserve und 49 Prozent nach Verfügbarkeit der nationalen Reserve im November 2020 bestellt zu haben.
Warum lagern noch so viele Grippeimpfstoffe 2020/21 in den Apotheken?
Waren Grippeimpfstoffe in den vergangenen Jahren noch vielerorts Mangelware, gibt es in der Saison 2020/21 zu viele Impfdosen. Warum? Die Mehrheit der befragten Kolleg*innen (63 Prozent) hat darauf eine klare Antwort: Die Grippeimpfstoffe aus der nationalen Reserve waren zu spät verfügbar. Wer sich im Herbst gegen Grippe impfen lassen wollte, aber keinen Impfstoff erhalten hatte, kam nicht wieder, sagt etwa jede*r zweite Befragte (52 Prozent). 46 Prozent der Befragten geben an, dass regulär bestellte Impfstoffe zu spät ausgeliefert wurden.
88 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Impfquote höher und der Verwurf in der aktuellen Influenzasaison geringer ausgefallen wäre, wenn die nationale Reserve Ende September/Anfang Oktober ausgeliefert worden wäre.
Wie groß ist der Verlust?
Im Durchschnitt haben die befragten Kolleg*innen noch 70 Impfdosen vorrätig – somit lagern in den öffentlichen Apotheken derzeit noch knapp 900.000 Grippeimpfdosen im Wert von etwa neun Millionen Euro (wenn ein Einkaufspreis von durchschnittlich zehn Euro berücksichtigt wird). Die Verbände haben bereits Alarm geschagen. Dennoch rechnet nur etwa die Hälfte (48 Prozent) der befragten Kolleg*innen mit einem Verlust für die Apotheke. Allerdings können 37 Prozent der Umfrageteilnehmer*innen noch keine Aussage über einen möglichen Verlust machen.
Dennoch sind etwa acht von zehn Befragten (78 Prozent) der Meinung, dass Apotheken, die noch Grippeimpfstoffe 2020/21 vorrätig haben, eine Entschädigung erhalten sollten. Wer soll das bezahlen? Das Bundesgesundheitsministerium, finden 66 Prozent und die Krankenkassen, sagen 24 Prozent.
Apropos Geld: Viel Geld können Apotheken mit Grippeimpfstoffen nicht verdienen, denn pro Impfdosis wird den Apotheken ein Honorar von einem Euro zugesprochen. Das ist zu wenig, finden 62 Prozent der Befragten. Aber wie viel ist angemessen? Auch das wollte aposcope von den Umfrageteilnehmer*innen wissen und bekam Antworten – zwei Euro sagen 35 Prozent, drei Euro sagen 29 Prozent, vier Euro sagen 4 Prozent und fünf Euro halten 20 Prozent für angemessen.
Fest steht: 61 Prozent der Umfrageteilnehmer*innen finden, dass in der Grippesaison 2020/21 so viele Impfdosen weggeworfen werden wie noch nie zuvor.
Nationale Reserve: Top oder Flop?
Auch in der kommenden Grippesaison will das Bundesgesundheitsministerium eine nationale Reserve von fünf bis acht Millionen Impfdosen beschaffen. Knapp 30 Prozent der Befragten halten die Maßnahme für überflüssig und 58 Prozent sogar für ein Minusgeschäft. Neun von zehn Kolleg*innen finden, das Anlegen einer nationalen Reserve macht nur dann Sinn, wenn die Impfstoffe zum richtigen Zeitpunkt erhältlich sind.
Zur Methodik: aposcope hat vom 12. bis 14. Februar 302 Apotheker*innen und PTA, die die Grippeimpfstoffbestellung in der Apotheke übernehmen, zum Thema befragt.
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