Viel Geld können Apotheken mit Grippeimpfstoffen nicht verdienen, wenn man bedenkt, dass pro Einzeldosis ein Zuschlag von einem Euro abgerechnet werden darf. Das Honorar ist knapp bemessen, findet der Apothekerverband Nordrhein (AVNR) und warnt: „Ohne Honoraranpassung sind Versorgungsengpässe vorprogrammiert.“
Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) mit Verweis auf § 3 der Arzneimittelpreisverordnung regelt, wie viel Geld Apotheken für die Abrechnung von Grippeimpfstoffen bekommen. „Bei der Abgabe von saisonalen Grippeimpfstoffen durch die Apotheken an Ärzte sind abweichend ein Zuschlag von 1 Euro je Einzeldosis, höchstens jedoch 75 Euro je Verordnungszeile, sowie die Umsatzsteuer zu erheben.“ Und das, obwohl die Apotheken das finanzielle Risiko bei der Grippeimpfstoffbestellung tragen und in jeder Saison vor einer großen Herausforderung stehen.
In diesem Jahr könnte sich das Einkaufsvolumen der Apotheken erhöhen – und zwar nicht, weil mehr Impfdosen vorbestellt werden, sondern weil die Schutzimpfungs-Richtlinie für Personen über 65 Jahre einen Hochdosis-Grippeimpfstoff vorschreibt, der die vierfache Antigenmenge des standardisierten Impfstoffes gegen Influenza enthält und gut das Dreifache kostet.
Die Honorierung der Apotheken bei Grippeimpfstoffen müsse dringend an stark steigende Impfstoffpreise angepasst werden, fordert der AVNR und warnt, dass die große Abhängigkeit von einem Impfstoffhersteller in der kommenden Influenzaimpfsaison zu Versorgungsengpässen führen könnte.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat die aktualisierte Grippeimpfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) umgesetzt. „Für die Grippesaison 2021/2022 schreibt die Schutzimpfungs-Richtlinie für Personen über 65 Jahre einen hochdosierten tetravalenten Grippeimpfstoff vor. Der dafür derzeit einzige in Deutschland zugelassene Impfstoff Efluelda kostet gut das Dreifache der üblich dosierten tetravalenten Impfstoffe“, teilt der AVNR mit. Gegen die Empfehlung spreche zwar nichts, aber gegen die Vergütung.
„Wir kritisieren sehr heftig, dass die schon damals äußerst knappe Honorierung von 1 Euro pro Impfdosis, die der Gesetzgeber im Zuge des im Mai 2019 in Kraft getretenen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) festgelegt hat, die Kosten für Vorfinanzierung, Beratung, Lieferung, Risikozuschlag für Warenuntergang, Nichtabnahme und Retaxationen durch Krankenkassen bei diesen Hochdosisimpfstoffen nicht ansatzweise decken,“ so Thomas Preis, AVNR-Vorsitzender.
Wird die Zulassung von Efluelda (Sanofi) für die Anwendung an 60- bis 64-Jährige erweitert, soll der Anspruch auf einen Hochdosis-Impfstoff auch für diese Altersgruppe gelten. „Das würde die Probleme noch vergrößern. Wir rechnen schon bei den jetzt laufenden Vorbestellungen der niedergelassenen Ärzte mit einem Bestellanteil von 75 Prozent für den wesentlich teureren Hochdosisimpfstoff“, so Preis. Das werde das Einkaufsvolumen der Apotheken bei gleicher Bestellmenge wie im Vorjahr mehr als verdoppeln.
Nach Berechnungen des AVNR gibt eine Apotheke im Durchschnitt etwa 1.000 Grippeimpfstoffe pro Saison ab – das Einkaufsvolumen steigt somit rechnerisch von etwa 10.000 Euro auf 30.000 Euro. Sehr viele Apotheken würden aber weit über den Durchschnittswerten liegen.
„So werden in diesem Jahr bei recht vielen Apotheken deutlich sechsstellige Eurobeträge zu finanzieren sein. Für viele ist das wirtschaftlich nicht mehr tragbar, sodass hier dringende Unterstützung der Politik erforderlich ist“, macht Preis deutlich. „Die Marge, die den Apotheken derzeit von der Politik zugestanden wird, sinkt so auf unter 3 Prozent. Schon jetzt zeichnet sich deutlich ab, dass die meisten Kollegen über die Vorbestellungen der Ärzteschaft hinaus kaum noch zusätzliche Impfstoffe auf gänzlich eigenes Risiko vorbestellen.“ Die entstehenden Kosten würden durch diese Mini-Marge nicht mehr ausreichend gedeckt werden können.
Der AVNR warnt davor, „aus rein versorgungsökonomischen Gründen etwa 75 Prozent der Grippeimpfstoffversorgung in der kommenden Saison durch lediglich einen Hersteller sicherzustellen.“ Komme es zu Produktionsverzögerungen oder sogar Totalausfällen, hätte das erhebliche Auswirkungen auf eine ausreichende Anzahl an Grippeimpfungen im nächsten Jahr. „Denn nach unserer Einschätzung wäre das nicht kurzfristig durch andere Hersteller aufzufangen“, warnt Preis. „Das können wir uns vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie überhaupt nicht leisten.“
Willst du immer auf dem Laufenden sein und keine Nachricht mehr verpassen? Dann melde dich für unseren wöchentlichen Newsletter hier an.
Mehr aus dieser Kategorie
21.000 Euro weniger: PTA-Gehalt stark unter Durchschnitt
Rund 52.300 Euro brutto verdienen Erwerbstätige hierzulande pro Jahr im Durchschnitt. PTA können da nicht mithalten. Im Gegenteil: Je nach …
Drei-Tage-Regel bei Krankschreibung: Wochenende zählt mit
An einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) führt meist kein Weg vorbei, wenn Angestellte auf der Arbeit krankheitsbedingt ausfallen. Seit rund zwei Jahren …
Lieferengpässe: ALBVVG bringt keine Besserung
Lieferengpässe sind Dauerthema in den Apotheken. Derzeit sind mehr als drei Millionen Versicherte von Engpässen betroffen. Das ist das Ergebnis …