Cannabis ist kein Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG). Werden Cannabisblüten nicht mit konkreten Wirkungen beworben, handelt es sich weder um ein Fertig- noch um ein Präsentationsarzneimittel, lautet die Entscheidung des OLG Hamburg, das damit einen jahrelangen Streit klärt, wie APOTHEKE ADHOC berichtet.
Was war passiert? Zwischen zwei Großhändlern war ein Rechtsstreit entbrannt. Konkret ging es um Ware des niederländischen Herstellers Bedrocan. Der Import von medizinischem Cannabis wurde bundesweit bislang uneinheitlich gehandhabt und erfolgte auf der Ebene der Regierungspräsidien als Fertigarzneimittel. Die Produkte von Bedrocan waren entsprechend deklariert. Das OLG hat nun untersagt, medizinisches Cannabis mit der bisherigen Deklarierung als Arzneimittel in den Verkehr zu bringen – das Etikett ist nicht gesetzeskonform.
Im März 2020 hatte der Antragssteller einen Testkauf durchgeführt und kurz darauf dem beklagten Großhändler eine Unterlassungsaufforderung zukommen lassen: Die Kennzeichnung der Liefergefäße entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung (AMWHV). Arzneimittel, die zur Anwendung am Menschen bestimmt und keine Fertigarzneimittel sind, dürfen demnach in Deutschland nur dann in den Verkehr gebracht werden, wenn ihre Behältnisse in gut lesbarer Schrift, in deutscher Sprache und auf dauerhafte Weise gekennzeichnet sind.
Diese Voraussetzungen würden die Bedrocan-Dosen jedoch nicht erfüllen. So fehle beispielsweise die Anschrift des Herstellers. Zwar sei die abgebildete Bezeichnung „Cannabis flos“ zutreffend, aber es fehle der Hinweis auf Stärke und Darreichungsform. Auch die Angabe zum Verfallsdatum sei unzureichend, weil sie lediglich mit der niederländischen Angabe „Niet te gebruiken na: 05-2020“ und nicht mit einer der beiden gesetzlich vorgesehenen Formulierungen – „verwendbar bis“ oder „verw. bis“ – mitgeteilt wird. Der Streit ging durch mehrere Instanzen, denn das Landgericht Hamburg hatte im April einen geltend gemachten Unterlassungsantrag zurückgewiesen. Diese Entscheidung kassierte das OLG nun.
„Entgegen der Ansicht des Antragstellers handelt es sich bei den streitgegenständlichen medizinischen Cannabisblüten nicht um Arzneimittel […]. Es handelt sich vielmehr um Stoffe im Sinne von […] § 3 Ziffer 2 AMG“, so das OLG. Jenem AMG-Passus zufolge sind Stoffe unter anderem Pflanzen, Pflanzenteile und Pflanzenbestandteile in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand, was auf Cannabis zutreffe. „Auch die Regelungen des Arzneimittelgesetzes über Arzneimittel, die keine Fertigarzneimittel im Sinne des § 4 Abs. 1 AMG sind, sondern erst durch die Zubereitung des Apothekers ihre endgültige Abgabeform erlangen, liefern keinen eindeutigen Aufschluss.“
Das Gesetz gehe „von einem weiten Begriff des Herstellens aus“. Das AMG versteht darunter das Gewinnen, Anfertigen, Zubereiten, Be- oder Verarbeiten, Umfüllen, Abfüllen, Abpacken, Kennzeichnen und die Freigabe. „Da im Hinblick auf die Herstellung der vorgenannten Rezepturarzneimittel mit dem Mahlen, Sieben, Dosieren und Abpacken in der Apotheke noch wesentliche Bearbeitungsschritte zu erfolgen haben, sind die streitgegenständlichen Cannabisblüten (noch) nicht als Arzneimittel, sondern als (Ausgangs-)Stoff nach§ 3 Ziffer 2 AMG, nämlich Pflanzen, Pflanzenteile und Pflanzenbestandteile in bearbeitetem oder unbearbeitetem Zustand, anzusehen.“
Auch wenn eine Verordnung von unzerkleinerten Cannabisblüten möglich sei, müsse der Apotheker auf der Grundlage des individuellen ärztlichen Rezepts eine Identitätsprüfung vornehmen und die patientengerechte Aufbereitung und das Abpacken seien auch dann zwingende Voraussetzungen für die Abgabe des Rezepturarzneimittels. Es handele sich auch nicht um ein Präsentationsarzneimittel, weil die bekannten pharmazeutischen Eigenschaften von Cannabis für eine solche Klassifizierung nicht ausreichten.
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