Antibiotika gehören seit über 75 Jahren zu den wichtigsten und unverzichtbaren Wirkstoffen, die uns zur Behandlung von Infektionen zur Verfügung stehen. Die Entdeckung des ersten Penicillins ermöglichte die Heilung von Erkrankungen, die zuvor nur ungenügend behandelt werden konnten und bis dahin oftmals tödlich verliefen. Grund genug, das Basiswissen zu den Penicillinen nochmal aufzufrischen.
Penicilline gehören von ihrer Struktur zu den Betalactam-Antibiotika. Den Namen haben sie erhalten, da ihre Grundstruktur neben einem Thiazolidin-Ring einen Betalactam-Ring aufweist. Unterschiedliche Seitenketten bestimmen ihr bakterizides Wirkspektrum, sowie ihre Löslichkeit und Stabilität. Sie blockieren während der Wachstumsphase der Bakterien das Enzym Transpeptidase irreversibel, wodurch die Synthese der bakteriellen Zellwand gehemmt wird. Die Zellwand wird praktisch „löchrig“ und die Bakterien sterben ab.
Kleine Bakteriologie
Bakterien sind einzellige Lebewesen, die keinen Zellkern haben und sich durch Teilung vermehren. Sie können nach verschiedenen Aspekten kategorisiert werden, beispielsweise aufgrund ihrer Form (kugel-, stäbchen- oder spiralförmig), ihrer Gram-Zugehörigkeit (grampositiv oder gramnegativ; diese beschreibt spezifische Zellwand-Eigenschaften) oder aufgrund ihres Bakterienstoffwechsels (aerobe Bakterien wachsen nur unter Sauerstoffzufuhr, anaerobe auch ohne).
„Manchmal findet jemand etwas, wonach er gar nicht gesucht hat.“
(A. Fleming)
Die Geschichte um das erste Penicillin, das von dem schottischen Bakteriologen Alexander Fleming 1928 entdeckt wurde, kennen wir wohl alle. Auf einer verschimmelten Staphylokokkenkultur in einer Petrischale entstand ein bakterienfreier Hof rund um den Schimmelpilz Penicillium notatum. Fleming erkannte die bakterizide Wirkung, gewann aus einem Extrakt dieses Schimmelpilzes die für die Wirkung verantwortliche Substanz und nannte sie Penicillin.
Penicillin G
Zunächst konnten durch Fermentationsprozesse vier Rohpenicilline hergestellt werden: Penicillin F, G, K und X. Von diesen vier konnte sich nur Penicillin G (auch Benzylpenicillin) als brauchbares Antibiotikum durchsetzen. Zwischen der Entdeckung durch Fleming und dem therapeutischen Einsatz des Penicillins vergingen allerdings mehr als zehn Jahre: Ein erster Test am Menschen fand 1941 statt, anschließend fand es vielfach Anwendung bei im Krieg verletzten Soldaten und wurde schließlich ab 1944 allen Bürgern zugänglich gemacht.
Benzylpenicillin wirkt unter anderem gegen Streptokokken, Pneumokokken, Gonokokken und Meningokokken und ist dabei sehr gut verträglich. Das Wirkspektrum ist allerdings schmal (es ist fast ausschließlich auf grampositive Bakterien beschränkt) und es kann nur parenteral angewendet werden, da es säureinstabil ist und durch die Magensäure wirkungslos wird. Außerdem weist Penicillin G eine Empfindlichkeit gegenüber dem von Bakterien gebildeten Enzym „Penicillinase“ auf. Dieses spaltet den Betalactam-Ring des Penicillins, noch bevor die Wirkung überhaupt eintreten kann.
Durch Salzbildung entsteht das Depot-Penicillin Benzathin-Benzylpenicillin. Damit können niedrigste Plasmakonzentrationen erreicht werden, die über vier Wochen lang anhalten. Auch dieses Penicillin ist säure- und betalactamaseinstabil. Eingesetzt wird der Wirkstoff ausschließlich parenteral bei rheumatischem Fieber und zur Behandlung von Syphillis.
Streng vertraulich
Penicillin V (auch Phenoxymethylpenicillin) ist aus dem Apothekenalltag nicht wegzudenken. Den Zusatz „V“ erhielt dieser Wirkstoff aus zwei Gründen: Zunächst war es nach den natürlich erzeugten, allesamt säureinstabilen Penicillinen F, G, K und X das fünfte seiner Art. Des Weiteren war die Entdeckung dieses halbsynthetischen, ersten säurestabilen Penicillins 1952 bei der Firma Biochemie von so großer Bedeutung, dass die Chemiker ihre Entdeckung mit einem großen „V“ für „vertraulich“ kennzeichneten. Penicillin V war damit das erste Oralpenicillin. Der Wirkbereich von Penicillin V entspricht dem des Penicillin G, die Wirkintensität ist allerdings deutlich geringer. Penicillin V wird häufig verordnet (15,9 Millionen definierte Tagesdosen „DDD“ im Jahr 2018), vorwiegend bei Infektionen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich (beispielsweise Streptokokkenangina, Scharlach, Sinusitis) und der unteren Atemwege. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Verodnungszahlen etwas rückläufig (- 4,4 Prozent). Wegen seiner guten Verträglichkeit ist es Mittel der Wahl in der Schwangerschaft.
Breitspektrum-Penicilline
Moderne Breitspektrum-Penicilline weisen im Vergleich zu Penicillin G und V ein deutlich größeres Wirkspektrum auf. Amoxicillin und Ampicillin gehören zu den Aminopenicillinen und werden insbesondere bei Infektionen der oberen und unteren Atemwege, Mittelohrentzündung, Harn- und Gallenwegsinfekten sowie Keuchhusten eingesetzt. Anders als bei dem Dauerbrenner Amoxicillin (62 Millionen DDD im Jahr 2018) ist die Bioverfügbarkeit des Ampicillins (0,23 Millionen DDD) nach oraler Einnahme so gering, dass es nur parenteral verabreicht wird.
Penicillinase-stabile Penicilline
Flucloxacillin ist ein Schmalspektrum-Antibiotikum, das hauptsächlich gegen Staphylokokken wirksam ist und den Vorteil hat, dass es gegen die von den Bakterien gebildete Penicillinase stabil ist. Zu den Indikationen gehören beispielsweise Sepsis, Endokarditis und Meningitis. In der Apotheke spielt Flucloxacillin allerdings keine große Rolle. Geläufiger sind Penicilline, die durch Zusatz eines weiteren Wirkstoffs stabil gegen Penicillinase werden.
Batalactamase-Inhibitoren
Durch Kombination mit Betalactamase-Hemmstoffen wird die Inaktivierung des Penicillins durch das Enzym Penicillinase verhindert. Verwendet werden dafür derzeit Clavulansäure, Sulbactam und Tazobactam. Ihr Zuwachs zum Vorjahr (2017) beträgt 10,8 Prozent, verordnet wurden 16,4 Millionen DDD. In den USA wurden 2015 und 2017 mit Avibactam und Vaborbactam zwei weitere Betalactamase-Inhibitoren zugelassen.
Penicilline im Überblick
Benzylpenicillin | Penicillin G (Benzylpenicillin) | parenteral |
Depotpenicilline | Benzathin-Benzylpenicillin | parenteral |
Oralpenicilline | Penicillin V (Phenoxymethylpenicillin) | oral (eine Stunde vor dem Essen) |
Breitspektrum-Penicilline | Aminopenicilline Amoxicillin Ampicillin Acylaminopenicilline Azlocillin Mezlocillin Piperacillin | oral (unabhängig vom Essen) parenteral parenteral parenteral parenteral |
Penicillinase-stabile Penicilline | Flucloxacillin | parenteral, oral (eine Stunde vor dem Essen) |
Kombi mit Betalactamase- Hemmstoffen | Amoxicillin + Clavulansäure Ampicillin + Sulbactam Sultamicillin Piperacillin + Tazobactam | oral (zu Beginn einer Mahlzeit) parenteral oral (unabhängig vom Essen) parenteral |
„Wenn du Penicillin nimmst, dann nimm genug davon.”
(A. Fleming)
Für eine erfolgreiche Therapie ist die Einhaltung des verordneten Einnahmeschemas von großer Bedeutung. Wird vom notwendigen Einnahmeintervall abgewichen, kann es zu Schwankungen im Serumspiegel kommen, wodurch sich die Gefahr der Resistenzbildung erhöht. Auch das vorzeitige Abbrechen der Therapie führt dazu, dass besonders die unsensibleren Bakterien überleben, sich weiter vermehren und Resistenzen ausbilden. Des Weiteren ist auf spezielle Einnahmehinweise zu achten. Penicillin V muss (anders als Amoxicillin) beispielsweise etwa eine Stunde vor einer Mahlzeit eingenommen werden, da die Verfügbarkeit sonst von der Nahrung verringert wird. Zudem empfiehlt sich die nüchterne Einnahme, da diese die Verweildauer im Darm verkürzt und somit eine weniger schädigende Wirkung auf die Darmflora ausüben kann.
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