Seit Mittwoch verschafft die „SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung“ oder auch Corona-Eilverordnung den Apotheken mehr Freiräume. Doch was genau ist alles möglich? Wir geben dir einen Überblick.
Corona-Eilverordnung: Wenn das abzugebende Arzneimittel nicht vorrätig ist
Ist das abzugebende Arzneimittel in der Apotheke nicht vorrätig, darf ein in der Apotheke vorrätiges oder an die Apotheke lieferbares wirkstoffgleiches Arzneimittel abgegeben werden.
Das bedeutet: Vorrangig muss mit dem abzugebenden Arzneimittel versorgt werden. Ist dieses nicht in der Apotheke vorrätig, aber ein wirkstoffgleiches, darf dieses abgegeben werden. Ist kein wirkstoffgleiches Arzneimittel vorrätig, aber das abzugebende lieferbar, sollte dieses bestellt und abgegeben werden. Ist das abzugebende Arzneimittel nicht lieferbar, aber ein wirkstoffgleiches, kann dieses bestellt und der Patient damit versorgt werden.
Ist weder das verordnete noch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel verfügbar, dürfen Apotheken nach Rücksprache mit dem Arzt ein pharmakologisch-therapeutisch vergleichbares Arzneimittel (aut-simile, Austausch auf einen anderen Wirkstoff der gleichen Klasse) abgeben. Dies ist auf dem Rezept zu dokumentieren. Das gilt auch im Falle eines Austauschverbotes durch den Arzt (aut-idem-Kreuz).
Ohne Rücksprache mit dem Arzt dürfen Apotheken von der Verordnung abweichen im Hinblick auf:
- die Packungsgröße, auch mit einer Überschreitung der nach der Packungsgrößenverordnung definierten Messzahl (gilt nicht für BtM),
- die Packungsanzahl (gilt nicht für BtM),
- die Entnahme von Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen und
- die Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen (gilt nicht für BtM).
Achtung: Die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs darf nicht überschritten werden.
Die Lockerungen gelten auch für Privatrezepte.
Auseinzeln
Kommt es bei einem Arzneimittel zu Lieferschwierigkeiten, darf die Apotheke durch die Corona-Eilverordnung zur Sicherstellung der Versorgung Teilmengen abgeben. Wird ausgeeinzelt, können Apotheken bei der ersten Abgabe alle Zuschläge (Festzuschlag von 3 Prozent zuzüglich 8,35 Euro zuzüglich 21 Cent zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes sowie die Umsatzsteuer) abrechnen. Werden weitere Teilmengen aus derselben Packung abgegeben, darf nur ein Zuschlag von 5,80 Euro abgerechnet werden.
Entlassmanagement
Im Rahmen des Entlassmanagements dürfen Krankenhausärzte „bis zum größten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung verordnen“. Außerdem darf der Arzneimittelbedarf für einen Zeitraum von bis zu 14 Tagen rezeptiert und die Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden.
5 Euro für den Botendienst dank Corona-Eilverordnung
Bei der Abgabe von Arzneimitteln im Wege des Botendienstes je Lieferort und Tag darf mit der Corona-Eilverordnung ein Zusatzbetrag von 5 Euro zuzüglich Umsatzsteuer zulasten der Kasse abgerechnet werden. Das genaue Prozedere ist allerdings noch nicht abschließend geklärt. DAV und GKV-Spitzenverband sind noch in Verhandlungen. Bis eine einheitliche Regelung gefunden wurde, wird seitens der Verbände empfohlen, die Rezepte zu sammeln und in die Abrechnung zu geben, wenn Klarheit herrscht und entsprechend der beschlossenen Vorgaben bedruckt werden kann.
Zusätzlich können Apotheken, die einen Botendienst anbieten, einmalig 250 Euro zuzüglich Umsatzsteuer zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnen.
Substitutionsrezepte: Abweichungen von der BtMVV
Zur Sicherstellung der Substitutionstherapie opioidabhängiger Patienten, ist folgendes erlaubt:
- Abweichend von § 5 Absatz 8 Satz 2 Nummer 1 BtMVV dürfen Substitutionsmittel für bis zu sieben aufeinander folgende Tage in der benötigten Menge verschrieben werden.
Das bedeutet: die Regelung, die lediglich eine Verschreibung zur eigenverantwortlichen Einnahme von zwei Tagen erlaubt, wird auf einen Verschreibungszeitraum von sieben Tagen ausgeweitet. - Abweichend von § 5 Absatz 8 Satz 3 BtMVV darf den Patienten innerhalb einer Kalenderwoche mehr als eine Verschreibung aushändigt werden.
Das bedeutet: Take-home-Verordnungen sind nicht mehr auf die einmal wöchentliche Aushändigung begrenzt. Mediziner dürfen ohne Limitierung abweichen. - Abweichend von § 5 Absatz 8 Satz 4 sowie § 5 Absatz 9 Satz 6 BtMVV dürfen Ärzte die Verschreibung auch ohne persönlichen Kontakt mit dem Patienten aushändigen.
Das bedeutet: Ärzte dürfen Verordnungen für den Take-home-Bedarf dem Patienten oder der Apotheke auf dem Postweg oder durch einen Boten zukommen lassen.
Abweichungen bei der Sichtvergabe: Abgabe durch den Apothekenboten möglich
Abweichend von § 5 Absatz 10 Satz 1 und 2 BtMVV darf für die Sichtvergabe auch anderes Personal eingesetzt werden, soweit das in diesen Vorschriften zur Durchführung des Überlassens zum unmittelbaren Verbrauch genannte medizinische, pharmazeutische oder pflegerische Personal nicht oder nicht in dem erforderlichen Umfang zur Verfügung steht.
Das bedeutet, Sichtvergabe durch den Boten ist möglich: Patienten im Sichtbezug können auch außerhalb der substitutionsärztlichen Praxis oder der Apotheke versorgt werden, beispielsweise, indem der Botendienst der Apotheke den Patienten mit den erforderlichen Substitutionsarzneimitteln versorgt. Die Verantwortlichkeiten des substituierenden Arztes bleiben unberührt.
Notfallverschreibung für Substitutionspatienten
Abweichend von § 8 Absatz 6 Satz 1 BtMVV darf der substituierende Arzt zur Sicherstellung der Therapie Notfallverschreibungen ausstellen.
Die vorgesehenen Abweichungen von den bestehenden Regelungen sind bis zu dem Zeitpunkt in Kraft, bis der Bundestag das Bestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite für beendet erklärt, spätestens jedoch bis zum 31. März 2021. Die Honorierung des Botendienstes in Höhe von 5 Euro ist befristet bis längstens zum 30. September 2020.
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