Kontaktverbot, häusliche Quarantäne und Isolation stellen Familien und Partnerschaften auf eine Zerreißprobe – mit schlimmen Folgen. Deutschlands größte Hilfsorganisation für Opfer von Kriminalität, der Weiße Ring, befürchtet eine deutliche Zunahme an Gewalttaten in den eigenen vier Wänden. Auch international sorgen sich Hilfsorganisationen um Frauen und Kinder, die während der Corona-Krise zu Opfern häuslicher Gewalt werden. In Spanien und Frankreich tragen auch Apotheken zur Bekämpfung von häuslicher Gewalt bei. Betroffene müssen nur das Codewort „Maske 19“ sagen.
„Die Corona-Krise zwingt die Menschen, in der Familie zu bleiben, hinzu kommen Stressfaktoren wie finanzielle Sorgen und Zukunftsunsicherheit. Diese Spannung kann sich in Gewalt entladen“, warnt der Bundesvorsitzende des Weißen Ringes, Jörg Ziercke. „Unsere Opferhelfer kennen das von Festtagen wie Weihnachten: Wenn die Menschen tagelang zu Hause sind, gehen die Fallzahlen in die Höhe. Die Kontaktsperre wegen Corona dauert aber sehr viel länger als Weihnachten, die Stressfaktoren sind auch größer.“
Ein Blick über die Ländergrenzen hinaus zeigt, dass Zierckes Sorge nicht unbegründet ist. In China, wo die Menschen bereits zwei Monate in häuslicher Quarantäne verbringen, habe sich die Zahl von Gewaltopfern verdreifacht. In welchem Maß die häusliche Gewalt während der Corona-Krise zunimmt, werde sich jedoch erst zeigen, wenn die Kontaktsperren aufgehoben seien. „Betroffene melden sich nicht, solange sie mit den Tätern auf engem Raum zusammensitzen“, so der Weiße Ring.
Codewort „Maske 19“
Während der Großteil der Geschäfte geschlossen ist, bleiben Apotheken geöffnet. Betroffene haben in der Regel einen niederschwelligen Zugang und können leicht in Kontakt mit den Mitarbeitern kommen und Hilfe suchen. In Spanien und Frankreich können Betroffene mit dem Codewort „Maske 19“ diskret um Hilfe bitten. Apotheken sollen dann die Polizei alarmieren.
Hilfetelefon und Zufluchtsort
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hat in der Corona-Krise mit den Bundesländern Hilfsmaßnahmen für Frauen verabredet. „Es ist wichtig, dass Frauen jetzt schnell und unbürokratisch Schutz und Beratung bekommen. […] Frauen, die zuhause Gewalt erfahren, brauchen Rettungsanker wie das Hilfetelefon oder einen sicheren Zufluchtsort. Dass einzelne Kommunen dafür bereits leerstehende Wohnungen oder Hotels anmieten, zeigt, was alles möglich ist.“ Es sei jetzt die Zeit für pragmatische und unkonventionelle Lösungen. Wo Hilfe gebraucht werde, müsse auch geholfen werden.
Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist rund um die Uhr und in 18 Sprachen unter der Nummer 08000 116 016 erreichbar. Können Betroffene in Frauenhäusern keinen Schutz finden, spricht sich Giffey für unkonventionelle Wege wie beispielsweise die kurzfristige Anmietung von Hotels und Ferienwohnungen aus.
Häusliche Gewalt ist auch in „normalen“ Zeiten in Deutschland alltäglich: Mehr als 140.000 Fälle wurden 2018 bei der Polizei angezeigt, die Dunkelziffer ist jedoch höher. Der Weiße Ring geht von mehr als einer Million Fälle jedes Jahr aus. Die Zahlen zeigen, dass knapp alle vier Minuten ein Mensch Opfer von häuslicher Gewalt wird.
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