Desinfektionsmittel: MEK + H2O2 = Keine Explosionsgefahr
Apotheken dürfen Händedesinfektionsmittel selbst herstellen. Per Allgemeinverfügung wurde eine befristete Ausnahmegenehmigung erteilt. Entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichten Rezeptur kam es in den letzten Tagen zu Verunsicherungen bei den Kollegen. Weil nur vergällter Alkohol lieferbar ist, wurde die Herstellung einer explosiven Mischung befürchtet.
Das Problem
Ethanol ist aktuell nur vergällt zu bekommen. Zur Denaturation wird Methylethylketon (MEK) zugesetzt, dass Ethanol als Genussmittel unbrauchbar macht. Die WHO-Rezeptur sieht zur Herstellung der Desinfektionslösung den Zusatz von Wasserstoffperoxid 3 Prozent vor. Dieses wird zur Inaktivierung kontaminierender Bakteriensporen zugesetzt und ist kein Wirkstoff für die Handantiseptik. Die hergestellten Lösungen sollten vor der Verwendung für 72 Stunden unter Quarantäne gestellt werden. In dem Zeitraum sollen die im Alkohol oder den Packmitteln enthaltenen Sporen inaktiviert werden.
Durch chemische Reaktion zwischen MEK und H2O2 können Hydroperoxide und Peroxide entstehen, wie Professor Ulrike Holzgrabe, Pharmazeutin und Chemikerin, Lehrstuhl Pharmazie und Lebensmittelchemie Julius-Maximilians-Universität Würzburg, erklärt. Doch es gibt Entwarnung: Die Flasche droht nicht zu explodieren. Dies wäre nur möglich, wenn die Flüssigkeit in einem Rotationsverdampfer verdampft werde.
Eine Explosion wäre nur möglich, wenn die Lösung trocken ist. Eine Explosion auf der Haut könne ebenfalls ausgeschlossen werden, denn die Konzentrationen von MEK und Wasserstoffperoxid sind zu gering. Für die Reaktion sind höhere Konzentrationen nötig, Wasserstoffperoxid müsste mindestens in einer Konzentration von 32 Prozent vorliegen. Auch 2-Butanon ist in zu geringem Maße enthalten, denn 100 Litern Ethanol wird 1 Liter MEK zum Vergällen hinzugefügt.
Das sind die Rezepturen:
Herstellung mit Ethanol
Ethanol 96 %: 8.333 ml
Wasserstoffperoxid 3 %: 417 ml
Glycerol 98 %: 145 ml
Steriles Wasser: ad 10.000 ml
Herstellung mit Isoprop
Isopropylalkohol 99,8 %: 7.515 ml
Wasserstoffperoxid 3 %: 417 ml
Glycerol 98 %: 145 ml
Steriles Wasser: ad 10.000 ml
Die SARS-CoV-2-Krise hat für einen Engpass bei Desinfektionsmitteln gesorgt. Apotheken hatten als Alternative selbst Händedesinfektionsmittel nach den Rezepturen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hergestellt. Daraufhin war eine Diskussion um die EU-Biozid-Verordnung entbrannt. Zuständige Behörden können nach Artikel 55 Absatz 1 der EU-Biozid-Verordnung für eine Dauer von maximal 180 Tagen gestatten, dass bestimmte Biozidprodukte unter beschränkten und kontrollierten Bedingungen bereitgestellt und verwendet werden. Voraussetzung ist allerdings, dass eine Notwendigkeit für die öffentliche Gesundheit besteht.
Was alles auf das Etikett muss, erfährst du hier ?.
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