Eine Flasche in der Tasche, eine im Bad, in der Küche, im Wohnzimmer und dann noch eine in Reserve: wer unter Nasensprayabhängigkeit leidet, sorgt vor. Denn nicht nur die Nase ist süchtig, sondern auch psychisch kann sich eine Abhängigkeit entwickeln. Hektische – und beratungsresistente – Kunden, die ihren „Stoff“ in der Apotheke kaufen, kennt wahrscheinlich jeder. Der Weg aus der Sucht scheint für viele unmöglich.
Schätzungsweise mehr als 120.000 Menschen sind in Deutschland abhängig von Nasensprays. Die Dunkelziffer liegt vermutlich weitaus höher. Meist begann alles mit einem harmlosen Schnupfen. Ein Sprühstoß und die verstopfte Nase ist wieder frei – pfft, pfft und die Luft strömt wieder. Ein Gefühl, das süchtig macht. Den Satz: „Das Spray sollte maximal dreimal täglich und nicht länger als sieben Tage lang angewendet werden“ wollen oder können die Betroffenen meist nicht mehr hören. Und tun die Sucht ab.
Wirkstoffcheck
Xylometazolin und Oxymetazolin sind die Wirkstoffe in den abschwellenden Nasensprays und keine neuen Designerdrogen. 2017 gingen etwa 80 Millionen Packungen über den Handverkaufstisch. Die Sympathomimetika lassen die Schleimhäute abschwellen und können die Gefäße verengen. Durch ihre agonistische Wirkung auf die Alpha-Adrenozeptoren wird die Nasenatmung erleichtert und die Sekretion vermindert. Außerdem werden die Beta-Rezeptoren stimuliert, was wiederum einen gefäßerweiternden Effekt zur Folge hat. Allerdings überwiegt die abschwellende Wirkung, während die gefäßerweiternde Wirkung länger anhält. Oxymetazolin besitzt laut Hersteller zusätzlich entzündungshemmende und antivirale Eigenschaften.
Nach zehn Tagen Nasenspray kommt die Sucht
Wer ein abschwellendes Nasenspray dreimal täglich und nicht länger als sieben Tage anwendet, hat nichts zu befürchten. Eine Abhängigkeit entsteht in der Regel erst nach etwa zehn Tagen, wenn der sogenannte Rebound-Effekt einsetzt und der Schnupfen längst abgeklungen ist. Die Schleimhäute schwellen dauerhaft an. Möglicherwiese weil die Alpha-Rezeptoren überstimuliert sind und sich an den Stoff gewöhnen. Der Betroffene sprüht erneut, die Nase ist frei, schwillt wieder zu, dann wird gesprüht – ein Teufelskreis, dem nur schwer entkommen werden kann. Die Nasenschleimhaut trocknet aus, es bilden sich Krusten und Risse. Besteht eine Rhinitis medicamentosa, werden die Nasenschleimhäute nicht mehr ausreichend durchblutet und Erreger haben leichtes Spiel.
Achtung, Stinknase
Ein Dauergebrauch führt zur Austrocknung der Nasenschleimhaut und zur Besiedlung mit Bakterien, die für einen fauligen Geruch sorgen. Den nimmt auch das Umfeld wahr. Somit kann das Sozialleben der Nasensprayjunkies stark beeinträchtigt sein, denn wer will schon neben einer stinkenden Nase sitzen? Die Betroffenen nehmen den Geruch allerdings selbst nicht wahr. Die sogenannte Ozäna ist zwar sehr selten, aber ist sie einmal da, gibt es ohne Behandlung keine Besserung. Helfen kann nur, die Nase dauerhaft und stetig zu befeuchten, das Nasenspray zu verbannen und eine Antibiose.
Wege aus der Sucht
Der Weg ist lang und steinig, aber es ist nicht unmöglich, von der Sucht loszukommen. Es gibt verschiedene Optionen:
Kalter Entzug
Von jetzt auf gleich auf das Spray zu verzichten, ist der härteste Weg. Allerdings raten Ärzte in der Regel davon ab, weil die Rückfallquote hoch ist. Eine Besserung tritt je nach Dauer der Abhängigkeit nach etwa zwei bis drei Wochen ein. Mitunter kann der Entzug auch Monate dauern. Die Betroffenen verspüren in der gesamten Zeit einen hohen Leidensdruck.
Runterdosieren
Der bessere Weg ist ein langsamer Entzug. Von der Erwachsenendosierung kann auf die Kinder- und dann auf die Säuglingsdosierung ausgeschlichen werden, bis schließlich nur noch mit einem befeuchtenden Meersalzspray gesprüht wird.
Erst das eine, dann das andere Nasenloch
Eine schrittweise Entwöhnung ist eine weitere Möglichkeit, der Sucht zu entkommen. Betroffene sprühen das abschwellende Spray nur noch in ein Nasenloch, das andere wird lediglich mit einem pflegenden Produkt behandelt. So ist ein Nasenloch frei und das andere kann sich regenerieren. Ist dies geschehen und die Betroffenen können durch das entwöhnte Nasenloch frei atmen, wird das andere Nasenloch auf Entzug gesetzt und beide Nasenöffnungen werden mit dem pflegenden Spray behandelt.
Corticod-haltige Nasensprays können den Entzug unterstützen, sollten aber nur in Rücksprache mit dem Arzt angewendet werden. Ziel der Therapie ist es, die im Zuge der Abhängigkeit entstandenen Entzündungen zu mindern.
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