Streit am HV: Immer wieder gibt es Diskussionen darum, ob der Zahnarzt nun mit seinem Arztausweis die Pille für den Eigenbedarf kaufen oder als nette, rettende Geste für einen Patienten verordnen darf. Gleiches gilt für Schilddrüsenpräparate, Antidiabetika oder Blutdruckmittel. Auf beiden Seiten des HV-Tisches herrschen meist zwei verschiedene Meinungen. Aber wer hat eigentlich recht?
Gültige Verordnung oder Arztausweis
Verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen nur in der Apotheke abgegeben werden, wenn eine gültige Verordnung vorliegt. Will der Mediziner Arzneimittel für den Eigenbedarf kaufen, muss keine Verordnung vorliegen, wenn der Arzt einen gültigen Arztausweis vorlegen kann. Zu beachten ist, dass Ärzte nur im Rahmen ihrer Approbation Arzneimittel verschreiben und entsprechend kaufen dürfen. Hier liegt der Casus knacksus.
Ein Blick in das Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde definiert in § 1 Absatz 3 diese als „die berufsmäßige auf zahnärztlich und wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten“. Somit fallen Kontrazeptiva, Antidiabetika und Blutdrucksenker nicht in die Kategorie Zahnheilkunde.
BZÄK sagt auch nein
Dass dem so ist, untermauert die Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) im ersten Abschnitt (Allgemeine Grundsätze § 1 Geltungsbereich das ZHG): „Unter zahnärztlicher Berufsausübung ist jede Tätigkeit zu verstehen, bei der zahnärztliche Fachkenntnisse eingesetzt oder mit verwendet werden können.“ In den Bereich der kurativen und nicht kurativen Zahnheilkunde fallen lediglich Arzneimittel wie Analgetika, Antibiotika, Sedativa und Rachentherapeutika. Vorausgesetzt, die Verordnung dient der Erkennung oder Heilung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten.
Das geht laut BZÄK
Die BZÄK liefert zudem Informationen, welche Arzneimittel in den zahnärztlichen Bereich fallen, und weist die Dentisten in ihre Schranken. Gelistet sind unter anderem Arzneimittel, die zur Behandlung von Entzündungen, Infektionen, Schmerz- und Erregungszuständen oder in Notfällen zum Einsatz kommen. Zur Behandlung von Entzündungen in der Mundhöhle können zum Beispiel lokal anzuwendende Glucocorticoide in Form von Pasten, Salben oder Pastillen verordnet werden. Die systemische Gabe komme jedoch nicht in Frage: „Die systemische Gabe von Glucocorticoiden zur Behandlung akuter oder chronisch-entzündlich Erkrankungen gehört wegen des sehr hohen therapeutischen Risikos nicht zum Aufgabengebiet des Zahnarztes.“
Viele Menschen haben Angst oder gar Panik vor einem Zahnarztbesuch. Dentisten ist es gestattet, zur Behandlung von Erregungszuständen Benzodiazepine oder Promethazin zu verordnen. Allerdings sollten nur Packungen mit möglichst geringer Stückzahl rezeptiert werden. Weil Zahnärzte in der Praxis für einen Notfall gerüstet sein müssen, sollen unter anderem Epinephrin, Bronchospasmolytika, Theophyllin, Diazepam oder Glyceroltrinitrat vorrätig gehalten werden.
Nein, nein, nein
Hormonelle Kontrazeptiva fallen also nicht in den Bereich der Zahnheilkunde. Verordnet der Zahnarzt dennoch die Pille zu Lasten der Kasse, kann der Apotheker die Belieferung verweigern. Unterstützung erhält er für diese Entscheidung von der Zahnärztekammer Niedersachsen. „Der Apotheker, der die Herausgabe eines Medikaments berechtigterweise verweigert, kann folglich gar nicht anders handeln. Tut er es trotzdem, verstößt er gegen seine Berufspflichten.“ Schließlich handelt es sich aus Sicht der Apotheke um eine nicht gültige Verschreibung mit einem erkennbaren Irrtum, weil das Rezept schließlich nicht von einer befugten Person ausgestellt wurde. Außerdem riskiert die Apotheke einen Regress, weil sie Gefahr läuft, von der Kasse retaxiert zu werden.
Der Kardiologe darf aber
Anders sieht es bei Fachärzten wie Kardiologen oder Orthopäden aus. Diese dürfen verschreibungspflichtige Arzneimittel auch außerhalb ihres Fachbereichs verordnen und für den Eigenbedarf erwerben. Auch Tierärzte dürfen nur im Rahmen ihres wissenschaftlichen Gebiets verordnen. Zulässig sind auch Humanarzneimittel, wenn kein entsprechendes Tierarzneimittel im Handel ist.
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