Heute ist der Tag der Epilepsie, den es bereits seit 1996 gibt. Epilepsie ist eine der häufigsten chronischen Erkrankungen des zentralen Nervensystems und kann in jedem Lebensalter auftreten. Wir nutzen diesen Tag, um über das Gewitter im Kopf zu informieren.
0,6 Prozent der Deutschen leiden an Epilepsie
In Deutschland leben etwa 500.000 Epilepsiepatienten, das entspricht einem Bevölkerungsanteil von etwa 0,6 Prozent. Pro Jahr werden etwa 38.000 Neuerkrankungen diagnostiziert. Die Gefahr an Epilepsie zu erkranken ist in den ersten fünf Lebensjahren besonders hoch. Der Großteil (Zweidrittel) der Betroffenen erkrankt in den ersten beiden Lebensjahren. Ab dem 60. Lebensjahr nimmt das Risiko wieder zu.
Epilepsie ist eine Erkrankung des Gehirns
Epilepsie ist eine Fehlfunktion des Gehirns. Die Betroffenen leiden wiederholt an epileptischen Anfällen. Von Epilepsie spricht man, wenn mindestens zwei epileptische Anfälle ohne erkennbaren Auslöser aufgetreten sind.
Anfälle können in unterschiedlichen Bereichen des Gehirns entstehen. Bei einer örtlichen Begrenzung ist von fokalen Anfällen die Rede. Sind beide Gehirnhälften betroffen, spricht man von generalisierenden Anfällen. Aber auch Mischformen sind möglich.
Verschiedene Anfallsformen
Ein epileptischer Anfall ist Leitsymptom der Erkrankung und tritt plötzlich, unerwartet und in der Regel ohne erkennbaren Auslöser aus. Meist ist nach einigen Sekunden oder bis einige Minuten wieder alles vorbei. Bei einem Anfall entladen sich mehrere Nervenzellen synchron und die Kommunikation zwischen den Nervenzellen ist gestört. Die Funktionsstörungen sind unwillkürlich. Anfälle können in unterschiedlichen Ausprägungen auftreten.
Anfallsarten werden nicht nur in fokal oder generalisiert unterteilt, sondern auch in Abhängigkeit von der Ursache. Idiopathische Epilepsie ist die „ererbte“ Form der Erkrankung. Die erworbene Form der Epilepsie wird auch als symptomatisch bezeichnet. Deren Ursache können beispielsweise Gehirnentzündungen, Kopfverletzungen, Tumore oder Schlaganfälle sein.
Grand mal
Grand mal bezeichnet einen tonisch-klonischen Anfall, der aus zwei Phasen besteht. Betroffene verkrampfen am ganzen Körper und stürzen zu Boden, was als tonisch bezeichnet wird. Im Anschluss treten Zuckungen am ganzen Körper auf – klonische Phase. Jetzt ist die Gefahr groß, dass sich die Betroffenen auf die Zunge beißen.
Absence
Absencen sind von Außenstehenden kaum als epileptischer Anfall zu erkennen. Die Betroffenen sind nicht ansprechbar und in einer Bewusstseinspause. Die Phase tritt plötzlich und unerwartet ein und endet auch ebenso.
Ein Anfall wird in verschiedene Phasen unterteilt. Der Zeitraum vor einem Anfall wird als präiktal bezeichnet, iktal ist die Zeit während eines Anfalls (Gewitter im Kopf), die Zeit zwischen einzelnen Anfällen ist interiktal und der Zeitraum nach einem Anfall postiktal (das Gehirn erholt sich).
Epilepsie: Medikamentöse Therapie
Epilepsie wird mit sogenannten Antikonvulsiva/Antiepileptika behandelt. Die Arzneimittel sollen weiteren Anfällen vorbeugen. Die Deutsche Epilepsievereinigung hat die Wirkstoffe in Gruppen unterteilt:
- „Die Klassiker“ haben sich seit vielen Jahren bewährt, werden aber nicht von allen Patienten vertragen. Es besteht die Gefahr der Leberaktivierung. Außerdem können die Arzneistoffe aus der Gruppe der Hydantoine, Barbiturate und Primidone die Wirksamkeit von hormonellen Kontrazeptiva abschwächen.
- „Die Allrounder“ wie Carbamazepin oder Valproat/Valproinsäure werden meist besser vertragen als die Klassiker, allerdings sind verschiedene Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen möglich. Vor allem der Einsatz Valproinsäure wurde in der Vergangenheit diskutiert. Der Wirkstoff sollte nicht bei Frauen im gebärfähigen Alter angewendet werden.
- „Die Spezialisten“ können nur bei bestimmten Epilepsieformen eingesetzt werden. Beispiele sind Succinimide und die neueren Wirkstoffe Viagabatrin, Rufinamid und Diacomid.
- „Die Feuerwehr“ sind Benzodiazepine und kommen als Notfallarzneimittel zum Einsatz beispielsweise bei einer akuten Verschlechterung des Anfalls. Außerdem können die Arzneistoffe bei einer Umstellung der medikamentösen Therapie vorübergehend zum Einsatz kommen. Für eine Dauertherapie kommen Benzodiazepine nicht in Frage.
- „Die Neuen“ sind laut Deutscher Epilepsievereinigung mit den „Allroundern“ in ihrer Wirksamkeit gleichzusetzen, allerdings sind sie langzeitverträglich und eine Enzyminduktion in der Leber bleibt aus. Somit sind weniger Wechselwirkungen möglich. Beispiele sind Gabapentin, Eslicarbazepin, Lamotrigin, Levetiracetan, Oxcarbazepin, Pregabalin, Topiramat und Zonisamid.
Fokale Anfälle können beispielsweise mit Carbamazepin, Gabapentin, Lamotrigin, Levetiracetam, Oxcarbazepin, Topiramat, Valproinsäure oder Zonisamid behandlet werden. Idiopathische generalisierte Anfälle mit Lamotrigin, Topiramat oder auch Valproinsäure.
Nebenwirkungen
Während der Behandlung sind unerwünschte Arzneimittelwirkungen möglich. Diese sind abhängig vom Wirkstoff und der Dosierung. Mögliche Nebenwirkungen, die wieder reversibel sind, sind beispielsweise Schläfrigkeit, Schwindel, verlangsamtes Denken, Übelkeit oder Hautausschlag. Zu den möglichen langfristigen, aber selteneren Nebenwirkungen zählen unter anderem psychische Beschwerden, Osteoporose, Störung der Sexualfunktion und starke Gewichtsveränderungen.
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