Explosives Überbleibsel: In einigen Apothekenlaboren ist noch immer ein hoch explosives Reagenz zu finden – die Pikrinsäure. Zwar zählt die Chemikalie seit nunmehr sieben Jahren nicht mehr zu den verpflichtenden Prüfmitteln, dennoch hat sie in der Vergangenheit immer wieder zu Großeinsätzen der Polizei geführt. So werdet ihr das Prüfmittel los.
Mit der Änderung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) im Jahr 2012 ist Pikrinsäure von der Liste der apothekenüblichen Gefahrstoffe gestrichen worden. Das Überbleibsel ist mit dem Sprengstoff Trinitrotoluol (TNT) verwandt und im trockenen Zustand hoch explosiv. Pikrinsäure wurde zur Identitätsprüfung von Benzylpenicillin, Chloroquin oder Pethiden verwendet. Denn 2,4,6-Trinitrophenol bildet mit vielen Stoffen sogenannte Pikrate, die aufgrund ihrer starken Färbung leicht zu identifizieren sind. Pikrinsäure findet außerdem in der Chemieausbildung zum Nachweis von Alkaloiden, Aromaten und Aminen Anwendung.
Nicht nur Apotheken, sondern auch Schulen hatten Pikrinsäure im Inventar. Zwar war den Schülern aus Sicherheitsgründen der Umgang mit der Chemikalie verboten, aber dennoch wurde sie zum Anfärben von Präparaten in der Mikroskopie eingesetzt oder um Zucker im Blut nachzuweisen.
Pikrinsäure ist nicht in jedem Zustand hochexplosiv. Gefährlich wird sie im trockenen Zustand oder wenn der Wassergehalt weniger als 30 Prozent beträgt. Dann genügen bereits kleinste Erschütterungen, ein Schlag oder Reibung, die beim Öffnen des Gefäßes entstehen kann, um eine Detonation auszulösen. Die trockenen Pikrinsäurekristalle fallen aufgrund ihrer hohen Explosivität unter das Sprengstoffgesetz.
Mindestens ein Drittel Wasser im Aufbewahrungsgefäß!
Ungefährlich ist jedoch die phlegmatisierte Pikrinsäure mit einem Wassergehalt von mehr als 30 Prozent. Etwa alle sechs Monate sollte der Wassergehalt überprüft werden, bei Bedarf kann Wasser nachgefüllt werden und dieses durch Umdrehen des Gefäßes gleichmäßig verteilt werden, empfiehlt die Landesapothekerkammer Hessen. Explosionsgefahr besteht in diesem Zustand nicht und die Entsorgung der als Laborchemikalie eingestuften Säure kann durch einen Fachbetrieb erfolgen.
Wann die Polizei anrücken muss
Ist die Pikrinsäure trocken oder der Zustand zweifelhaft, sollte das Gefäß an Ort und Stelle verbleiben und nicht bewegt werden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich im Flaschenhals bereits Kristalle gebildet haben.
Wird in der Apotheke ein Gefäß mit „undefinierter“ Pikrinsäure gefunden, ist beispielsweise das Landeskriminalamt zu informieren. Vielerorts ist der Fachbereich „Sprengtechnik/Entschärfung“ zuständig.
Dabei sind folgende Kriterien zu beachten:
Trifft mindestens ein Kriterium zu, soll das Gefäß weder geöffnet noch verlagert werden. Der Lagerort muss verschlossen werden und darf bis zur Abholung nicht mehr betreten werden.
- Die Substanz wird einem durchsichtigen Gefäß gelagert und es ist erkennbar, dass die Säure bereits trocken und nicht mehr feucht genug gelagert wird.
- Das Gefäß ist undurchsichtig und wird schon sehr lange aufbewahrt.
- Das Gefäß ist aus Metall: Jetzt ist besondere Vorsicht geboten, denn es ist eine Bildung von hochexplosiven Metallpikraten möglich.
- Am Gefäß sind kristalline gelbliche Anhaftungen sichtbar. Gefahr ist im Verzug, wenn diese am Verschluss zu finden sind, denn dann kann es bereits beim Öffnen des Gefäßes zu einer Detonation kommen.
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