Novothyral, Thybon und Co.: Vorsicht bei Biotin
Weil Biotin die Laborwerte verfälschen kann, mussten bereits die Fach- und Gebrauchsinformationen Levothyroxin-haltiger Arzneimittel angepasst werden, um Patient:innen und Fachpersonal darauf hinzuweisen. Nun muss auch bei Novothyral (Merck), Thybon Hennig (Sanofi) und weiteren Arzneimitteln mit Liothyronin vor dem Einfluss von Biotin (Vitamin H) gewarnt werden.
Nachdem der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) ein entsprechendes Sicherheitsverfahren eingeleitet hat, muss künftig in den Produktinformationen von Schilddrüsenpräparaten wie Novothyral und Thybon Henning bei der Anwendung von Biotin zur Vorsicht aufgerufen werden.
Der Grund: Die Einnahme von Biotin kann zu verfälschten Laborwerten des Schilddrüsenhormons führen, und zwar dann, wenn Immunoassays zum Einsatz kommen, die auf einer Interaktion zwischen Biotin und Streptavidin basieren. Denn letzteres besitzt eine hohe Bindungsaffinität zu Vitamin H. So kann jede der vier Streptavidin-Untereinheiten ein Biotin-Molekül fest an sich binden. In Abhängigkeit von der Untersuchungsmethode sind falsch erniedrigte oder falsch erhöhte Ergebnisse möglich.
Liothyronin vs. Levothyroxin: Was ist der Unterschied?
Levothyroxin (L-Thyroxin) kommt bei Schilddrüsenfunktionsstörungen zum Einsatz, soll die fehlenden körpereigenen Hormone ersetzen und entspricht Thyroxin (T4). Der Wirkstoff dient der Schilddrüsenhormonsubstitution bei einer Hypothyreose.
Liothyronin wird ebenfalls zur Behandlung einer Schilddrüsenunterfunktion sowie bei einem Struma eingesetzt. Das synthetisch hergestellte Hormon entspricht T3 und hat einen schnelleren Wirkeintritt als L-Thyroxin. Während letzteres auch als Prähormon bezeichnet wird, gilt Liothyronin als hauptsächlich aktives Hormon. Zum Einsatz kommen sowohl Mono- als auch Kombipräparate mit L-Thyroxin.
Novothyral, Thybon und Co.: Warnung vor verfälschten Laborwerten durch Biotin
Daher sollen sowohl das Fachpersonal als auch Patient:innen selbst in den Produktinformationen entsprechend sensibilisiert werden. Denn: „Angesichts der immer häufigeren Anwendung von biotinhaltigen Präparaten besteht aufgrund falscher Testergebnisse ein erhebliches Potenzial für eine unangemessene klinische Behandlung von Patienten mit Hypothyreose“, heißt es zur Begründung im Beschluss der zuständigen Koordinierungsgruppe (CMDh) der EMA. So kann es beispielsweise zu einer Überdosierung von Liothyronin-haltigen Arzneimitteln kommen.
Um dies zu vermeiden, müssen die Fach- und Gebrauchsinformationen Liothyronin-haltiger Arzneimittel ähnlich zu denen bei Levothyroxin angepasst werden. Genau sollen
- Patient:innen vor einem Schilddüsenfunktionstests nach der Einnahme von Biotin gefragt werden,
- Ärzt:innen oder Laborpersonal über die Einnahme von Biotin informiert werden,
- bei der Betrachtung von Laborergebnissen mögliche Biotin-Streptavidin-Wechselwirkungen berücksichtigt werden und
- falls möglich auf alternative Testmethoden zur Bestimmung des Schilddrüsenstatus umgestiegen werden.
Außerdem soll darauf hingewiesen werden, dass das Risiko verfälschter Laborergebnisse steigt, je höher die Biotin-Dosis ausfällt.
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