Honorar, Versandhandel, Fachkräftemangel: Was planen die Parteien?
Der Bundestagswahlkampf steht im Zeichen von Wirtschaft und Migration. Gesundheitspolitik gehört nicht zu den zentralen Themen und spielt dennoch eine entscheidende Rolle. Geht es um die Apotheken, machen die Parteien verschiedene Zugeständnisse. Sie sollen gestärkt, die seit Jahren eingefrorene Honorierung angegangen und zusätzliche Leistungen wie beispielsweise das Impfen ausgebaut werden. Das zeigen die Antworten der Parteien auf die sechs Wahlprüfsteine der Abda.
„In den Antworten auf unsere Wahlprüfsteine versprechen zahlreiche Parteien eine wirtschaftliche Stärkung der Apotheken“, so Abda-Präsident Thomas Preis. „Wir werden die Politikerinnen und Politiker daran erinnern, was sie vor der Wahl angekündigt haben.“ Doch nicht nur eine Honoraranhebung, auch eine Kompetenzausweitung für Apotheker:innen müsse Teil des neuen Regierungsprogramms werden.
Die Abda hat zu sechs Wahlprüfsteinen Antworten von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Grüne, FDP und Die Linke erhalten.
Erhöhung des Apothekenhonorars
- SPD: Die Sozialdemokraten halten an den Reformplänen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach fest. Unterstützt werden Honoraranreize für Apotheken in ländlichen Regionen sowie eine Anhebung der Vergütung für Nacht- und Notdienste. Weitere Honoraranpassungen sollen über die Verhandlungslösung erreicht werden.
- CDU/CSU: Apotheken müssen finanziell durch eine Anpassung und Dynamisierung beispielsweise des Fixums und/oder Anpassung des Kassenabschlages gestärkt werden. Dies wurde bereits in einem Entschließungsantrag zum Medizinforschungsgesetz festgehalten. „Diese Position gilt auch nach der Wahl.“
- Bündnis 90/Grüne: Die Grünen wollen die Finanzierung der Apotheken „reformieren“. Schnelles Handeln sei gefragt, um die wirtschaftliche Lage der Apotheken zu stabilisieren. Zudem sollen die Kompetenzen als Heilberuf und die Rolle der Apotheken in der Primärversorgung weiter gestärkt werden.
- FDP: Apotheken brauchen eine auskömmliche Vergütung, allerdings „sieht sich unser Gesundheitssystem stark steigenden Kosten konfrontiert“. Daher müssten große Kostenfaktoren klar benannt und im System vorhandene Gelder dahin umverteilt werden, wo sie wirklich benötigt würden. Das gelte insbesondere auch für die Sicherung der Arzneimittelversorgung durch Vor-Ort-Apotheken.
- Linke: „Die Linke hat sich immer für eine regelgebundene Dynamisierung des Apothekenhonorars eingesetzt“, heißt es. Zudem müssten künftig neue Aufgaben auch neue Honorarbestandteile erbringen.
Apotheken vor Ort stärken
- SPD: Auch in diesem Punkt herrscht Konsens zur vorgelegten Apothekenreform. Neben der Antwort zum ersten Abda-Wahlprüfstein wird auf Entbürokratisierung, Telepharmazie sowie die Einbindung von Apotheken in Prävention, Früherkennung und Impfungen verwiesen. Außerdem sollen Apotheker:innen besser in die multi- und interprofessionellen Versorgungsnetzwerke inklusive mobilen Teams eingebunden werden.
- CDU/CSU: Eine Apothekenreform soll die Präsenzapotheken stärken und ihnen eine Zukunft geben. Zudem sei es nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs notwendig, die Regelungen zur Gewährung von Skonti zu überprüfen und für Apotheken und den Großhandel eine existenzsichernde Regelung zu implementieren.
- Bündnis 90/Grüne: „Wir werden einen erneuten Anlauf für eine Reform des Apothekenhonorars und eine Stärkung der Arzneimittelversorgung in ländlichen und strukturschwachen Regionen unternehmen“, heißt es von den Grünen. Aber auch dem Fachkräftemangel soll begegnet werden. Die Grünen wollen sich dafür einsetzen, dass die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen von Apotheker:innen und PTA verbessert werden. Außerdem sollen Apotheke eine stärkere Rolle in der Primärversorgung einnehmen und Telepharmazie ausgebaut werden.
- FDP: Die Freien Demokraten wollen durch Ambulantisierung, Stärkung der ambulanten Strukturen, Digitalisierung und Entbürokratisierung das Gesundheitssystem effizienter gestalten. Zudem werden Telepharmazie und zusätzliche Kompetenzen genannt.
- Linke: Versandhandel, Apothekenketten und Fremdbesitz schließen die Linken aus. Die Präsenzapotheke brauche eine klare Perspektive für die Zukunft. Zudem sollen unter anderem versorgungswichtige Apotheken auf dem Land gesondert gefördert werden. Dafür brauche es einen Versorgungsatlas, der nach bundeseinheitlichen Kriterien aufzeigt, wo die Versorgung nicht mehr wohnortnah gewährleistet ist und künftig Unterversorgung droht.
Zusätzliche Leistungen
- SPD: Apotheken sollen als wichtige Anlaufstellen für Prävention, Therapiebegleitung und eine sichere Arzneimittelversorgung stärken. Dazu gehören unter anderem die Erweiterung von Impfungen und Dienstleistungen aus dem Bereich der klinischen Pharmazie (Nutzen-Risiko-Bewertung einer Arzneimitteltherapie, Therapeutisches Drug Monitoring und pharmazeutische Betreuung).
- CDU/CSU: In Impfungen und Tests sowie der bereits möglichen Beratung zur Arzneimittelsicherheit, Blutdruckkontrollen oder Asthmatiker-Schulungen in Apotheken sehen CDU/CSU ein Bündel von Wettbewerbsvorteilen, das die Position der Vor-Ort-Apotheken stärkt.
- Bündnis 90/Grüne: Die Einführung von regelhaften Impfungen in Apotheken verzeichnen die Grünen als Erfolg. Weiteren Möglichkeiten wie etwa qualitätsgesicherten Schnelltests steht die Partei offen gegenüber.
- FDP: Besonderes Augenmerk liegt auf der Ambulantisierung und Stärkung der ambulanten Strukturen. Deshalb werde geprüft, welche zusätzlichen Kompetenzen wie eine Erweiterung der Impfberechtigung mit Totimpfstoffen oder patientennahe Schnelltestungen möglich sind. Aber auch das Erwerben von In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung sowie für die Durchführung von Testungen in der Apotheke soll diskutiert werden.
- Linke: Die Pandemie habe gezeigt, dass Apotheken schnell und flexibel ihr Aufgabenspektrum erweitern können. Die Partei steht neuen Kompetenzen wie Impfungen, Tests oder auch public health-bezogenen Aufgaben offen gegenüber.
Einbindung in Primärversorgung
- SPD: Apotheker:innen müssen ein fester Bestandteil der multi- und interprofessionellen Versorgungsteams sein und direkt bei der Planung und Versorgung von Patient:innen eingebunden werden.
- CDU/CSU: Eine stärkere interprofessionelle Zusammenarbeit sei unabdingbar. Hemmnisse in der Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen und Apotheken – überbordende Bürokratie – sollen abgebaut werden.
- Bündnis 90/Grüne: Die Grünen sind für eine starke, sektorenübergreifende Versorgung, bei der Apotheken eine wichtige Rolle spielen. Zudem sind die Integration der Telepharmazie und der Ausbau von Gesundheitsdienstleistungen im Präventionsbereich Themen.
- FDP: Verweist auf die Antwort zu zusätzlichen Präventions- und Gesundheitsleistungen.
- Linke: Die Kooperation mit Ärzt:innen müsse verbessert werden. Die Linke spricht sich gegen Einzelkämpfertum und Konkurrenz aus.
Fachkräftemangel beheben
- SPD: „Es ist wenig wahrscheinlich, dass wir den Fachkräftemangel in Apotheken vor Ort nur mit Apotheker:innen beheben werden“, heißt es. Aber auch PTA müssen neu geregelt und bundesweit eine „Gebührenfreiheit“ und attraktive Ausbildungsvergütung eingeführt werden. Außerdem sollen Wege für die pharmazeutischen Fachkräfte aus Drittstaaten verbessert werden.
- CDU/CSU: Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten sollen verbessert, das betriebliche Gesundheitsmanagement ausgebaut und attraktive Teilzeit- und Arbeitszeitmodelle geschaffen sowie die Kostenstruktur in den Apotheken auf ein neues Fundament gestellt werden.
- Bündnis 90/Grüne: Ein attraktives Arbeitsumfeld soll ermöglicht werden. Dazu gehören unter anderem mehr Verantwortung, familienfreundliche Arbeitsbedingungen oder zusätzliche Dienstleistungen im Präventionsbereich sowie Bürokratieabbau und stärkere Digitalisierung.
- FDP: Im Fokus stehen eine auskömmliche Vergütung und Entbürokratisierung für Neugründungen. Zudem soll eine Lösung gefunden werden, wie die Integration ausländischer Fachkräfte besser gelingen kann. Die „Apotheke light“ ist keine Option.
- Linke: „Um Fachkräfte zu gewinnen, braucht es attraktive Arbeitsbedingungen, gute Löhne und verlässliche Zukunftsaussichten.“ Es brauche eine Kehrtwende in der Apothekenpolitik.
Entbürokratisierung und Nullretax
- SPD: Fortschreitende Digitalisierung des Gesundheitswesens und die Einführung der KI-gestützten Dokumentationen werden den bürokratischen Aufwand erheblich reduzieren und die Möglichkeit der Null-Retaxation aus formalen Gründen beenden.
- CDU/CSU: Es bedarf einer Regelung durch den Gesetzgeber gegen die Nullretax. Bürokratische Auflagen im Apothekenalltag sollen geprüft und abgebaut werden.
- Bündnis 90/Grüne: Die hohe bürokratische Last soll weiter abgebaut werden – durch zielgerichtete Digitalisierung. Zudem habe das „fälschungssichere E-Rezept“ Retaxationen aus formalen Gründen verringert und die digitale Buchhaltung erleichtert.
- FDP: Die Entbürokratisierung müsse voranschreiten. Zudem wurden mit dem Einschränken der Nullretax, dem Wegfall der Präqualifizierung und dem erleichterten Austausch bei Nichtverfügbarkeit erste Erfolge erreicht.
- Linke: Verbot von Rabattverträgen mit Zwangsumtausch und der Parallelimport-Förderung. Apotheken sollten im Fall von Lieferengpässen mehr Möglichkeiten haben, unbürokratisch versorgen zu können. Aber auch die formalen Anforderungen für den Betrieb einer Apotheke müssen reduziert und Null-Retaxationen aus formalen Gründen abgeschafft werden.
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