Neben der Anwendung als Verhütungsmittel kommt Medroxyprogesteronacetat (MPA) auch in der Krebsbehandlung zum Einsatz. Doch nun wird in einem Rote-Hand-Brief vor einem erhöhten Tumorrisiko unter dem synthetischen Gestagen gewarnt.
Wie die Zulassungsinhaber entsprechender Arzneimittel in Abstimmung mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) informieren, kann Medroxyprogesteronacetat das Tumorrisiko erhöhen. Genau steigt die Gefahr für Hirntumore (Meningeome), wenn hochdosierte MPA-haltige Arzneimittel über einen längeren Zeitraum von mehreren Jahren angewendet werden. Betroffen sind alle Darreichungsformen, die MPA in Dosierungen von ≥100 mg enthalten.
Die Fach- und Gebrauchsinformationen entsprechender Präparate werden angepasst und als Nebenwirkung Meningeome mit nicht bekannter Häufigkeit hinzugefügt.
Medroxyprogesteronacetat ist ein synthetisches Gestagen, das von Progesteron abgeleitet ist. Anwendung finden Arzneimittel mit dem Wirkstoff zum einen in gynäkologischen Indikationen, darunter Schwangerschaftsverhütung von längerer Dauer, beispielsweise in Form von Depot-Injektionen (Dreimonatsspritzen wie Depo-Clinovir). Die kontrazeptive Wirkung geht auf folgende Eigenschaften zurück:
- Unterdrückung des präovulatorischen LH-Gipfels, was eine Hemmung der Ovulation und eine Störung der Follikelreifung zur Folge hat,
- antiproliferative Wirkung am Endometrium
- Erhöhung der Viskosität des Zervikalschleims, dadurch wird der Eintritt von Spermien in den Uterus behindert.
Hinzukommt die Anwendung in der Onkologie bei der Behandlung von Brust- und Gebärmutterkrebs.
Hochdosiertes Medroxyprogesteronacetat erhöht Tumorrisiko
Grundlage für die Warnung ist eine französische epidemiologische Fall-Kontroll-Studie, bei der die Exposition gegenüber injizierbarem Medroxyprogesteronacetat 150 mg/3 ml zwischen Frauen, die wegen eines Meningeoms operiert wurden, und Frauen ohne Meningeom verglichen wurde. Dabei konnte ein Zusammenhang zwischen MPA und dem Auftreten von Meningeomen festgestellt werden. Die Gefahr stieg dabei besonders bei einer Anwendungsdauer von ≥3 Jahren.
Meningeome sind Tumore im Gehirn, die sich aus Meningen – der Hirnhaut – bilden. Meist sind Meningeome gutartig und wachsen langsam. Je nach Lage können sie jedoch zur Gefahr werden und mitunter eine operative Entfernung notwendig machen. Symptome eines Meningeoms sind oftmals unspezifisch und äußern sich unter anderem in Sehveränderungen, Hör-, Geruchs- und Gedächtnisverlust, stärker werdenden Kopfschmerzen, Krampfanfällen oder Schwäche der Extremitäten.
Hochdosiertes synthetisches Gestagen: Das sind die Empfehlungen
Trotz des erhöhten Tumorrisikos unter hochdosiertem Medroxyprogesteronacetat seien die damit verbundenen absoluten Risiken jedoch sehr gering, heißt es im Rote-Hand-Brief weiter. Hinzukommt, dass für niedrig dosierte Mono- und Kombinationspräparate – <100 mg MPA – keine neuen Sicherheitsbedenken hinsichtlich eines Meningeomrisikos festgestellt wurden, weshalb die Empfehlungen nicht für niedrig dosierte Medroxyprogesteronacetat-haltige Darreichungsformen zum Einnehmen gelten.
Patientinnen, die mit hochdosiertem MPA behandelt werden, sollten jedoch auf die Anzeichen eines Meningeoms überwacht werden:
- Tritt unter der Anwendung zur Empfängnisverhütung oder bei nicht-onkologischen Indikationen bei hochdosierten MPA-haltigen Arzneimitteln ein Meningeom auf, muss die Behandlung abgebrochen werden. Für Patientinnen mit Meningeom oder einem Meningeom in der Vorgeschichte sind die Arzneimittel zudem kontraindiziert.
- Bei onkologischen Indikationen soll beim Auftreten von Meningeomen unter hochdosiertem MPA die Notwendigkeit einer Fortsetzung der Behandlung sorgfältig unter Berücksichtigung des individuellen Nutzens und Risikos abgewogen werden.
Apotheken sollen Patientinnen entsprechend über die Risiken informieren.
Das könnte dich auch interessieren
Mehr aus dieser Kategorie
SVA tagt: OTC-Switch für Sildenafil und Co.?
Am 21. Januar 2025 tagt der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht (SVA) zum ersten Mal im neuen Jahr. Auf der Agenda steht …
Baclofen: Beeinträchtigung der Gehirnfunktion
Für einige Baclofen-haltige Arzneimittel gibt es neue Warnhinweise. Die Fach- und Gebrauchsinformationen müssen entsprechend angepasst werden. Genau droht unter der …
Nicht wirksam: Keine Erkältungskombis mit Phenylephrin?
Leiden Kund:innen unter Erkältungsbeschwerden wie verstopfter Nase und Co., kommen unter anderem Erkältungskombis zum Einsatz. Dabei wird häufig auf Phenylephrin …